Die Ausstellung Eros. Jugend. Politik., in den Räumen der Frankfurter SIKS, beschäftigt sich mit der Frage warum die Niddastraße im Frankfurter Bahnhofsviertel von Dealern gesäubert werden soll, und warum dafür gleichzeitig - quasi als Kollateralschaden - die bisher von den unterschiedlichsten Einzelhändlern jedweder kultureller Couleur, sowie von Galerien und temporary spaces bespielte Kaiserpassage von allem gereinigt werden muss, was für einen CDU-Stadtrat und einen Hipster der letzten Generation nicht eindeutig als ästhetisch wertvoll im Sinne ihres beschränkten Vorstellungsvermögens von Welt identifiziert werden kann.
Irgendwie haben nun die Ereignisse diese Ausstellung, die zu Beginn des Jahres 2016 konzipiert wurde, auf eine Weise eingeholt, die hier nicht ignoriert werden kann. Werden soll! Denn seit der Nacht des 8. Novembers ist es durchaus notwendig geworden einen Umweg, sozusagen vom Frankfurter Bahnhofsviertel über Washington und zurück zu machen. Ein Umweg, der eigentlich keiner ist...
Es geht Eros. Jugend. Politik. um den heute aktuellen, aber historisch schon lange schwelenden und eigentlich immer schon aktuell gewesenen Versuch einer WertRückVerschiebung in der Moderne! Es geht um Diskussionsverweigerung! Also um den Rückzug auf das was man sieht... oder in der Hand hat, oder in der Tasche - also zum Beispiel gekauft hat. Es geht schlicht um die Genealogie der Idee des Echten - des Anfassbaren! Und damit geht es gleichzeitig um den Hass auf alles Intelektuelle, Abstrakte, Abwägende, Aushandelnde. Also zum Beispiel um den Hass auf die parlamentarische Demokratie.
In dieser WertRückVerschiebung, also im Moment der Diskursverweigerung, ist der Preis für irgendetwas kein Wert der Arbeitskraft mehr und deswegen also nicht mehr potentiell messbar. Sondern er ist rein symbolischer Wert. Und eigentlich ist ein messbarer Wert ja auch in der Tat etwas total bescheuertes. Aber dem Kapitalismus ist genau diese Berechenbarkeit des Wertes sein ein und alles. Demgegenüber geht es beim Wert der Diskursverweigerung um das eigentliche, echte und meine, um einen symbolischen, also eigentlich einen feudalistischen Wert. Also zum Beispiel um den Wert des Weines der alt ist und nur deswegen, wie das Kunstwerk des toten Künstlers, etwas wert, ganz unabhängig von seinem, auch nicht wirklich messbaren Geschmack.
Es geht hier also um eine WERTVERSCHIEBUNG. Vom protestantisch-kapitalistischen Terror des "Wert ist nur dasjenige in dem Arbeit steckt!", zum neo-feudalistischen Terror des Wertes von dem "irgendjemand" sagt, der König, der Vater, dass es etwas Wert sei. Also vom total Berechenbaren zum total Unberechenbaren! Vom VW Käfer zum Chili Huhn auf Rucolasalat.
Es geht Eros. Jugend. Politik. also um die Beobachtung und um die Geschichte einer Verschiebung. Vom abstrakten zum symbolisch-ständischen Wert. Vom Argument zur Deklamation. Vom exoterischen Wissen zum esoterischen Wissen und damit vom Diskurs, zur Diskursverweigerung!
Ein liberaler, oder auch linker, abwägender, kritischer, die Begriffe setzender und in Frage stellender Geist stellt jenen, abstrakten, eben liberalen Aspekt dar. Aber auch die Arbeit des Ingenieurs, also der Machbarkeit des zum Mond und Mars fliegen könnens (und genau nur deswegen auch Wollens!!) gehört in die Kategorie der totalen Berechenbarkeit des Wertes. Oder besser, des Wertes von totaler Berechenbarkeit selbst.
Das heißt, dass auch die Welt der Steve Jobs und Mark Zuckerbergs ganz zum liberalen Diskurs der Moderne gehören. Und mit diesen haben wir ja dann auch die perfekte "protestantische" Querfront beisammen: heiliger Geist, also heilige abstrakte, symbolischen Ordnung, und harte, brutale faktische Arbeit bis zur Selbstausbeutung. Also die klassische, kapitalistische Moderne.
Und auf der anderen Seite ist da heute wieder, wie schon vor Jahrzehnten, sowie zu Zeiten der bündischen Jugend des Hohen Meissners, die politische und gesellschaftliche Reaktion - das Ästhetische, rein Symbolische. Der Name des Fürsten und/oder des Vaters selbst, und das was so ein Vater nun einmal zu sagen hat. Also eben bestimmt NICHTS über den Diskurs an sich, oder darüber warum sich jemand Vater nennen darf, oder was das überhaupt sein soll - ein Vater!
Diese REAKTION ist also in ihrem Kern vor allem der Hass auf das Argument. Auf alles Dialektische, Abwiegende, unsicher Offene. Also auf das fragile Element des Diskurses selbst. Und die REAKTION ist damit die Sehnsucht nach Deklamation, nach Eindeutigkeit! Sag du mir, Vater, Fürst, mein bärtiger Freund, wie es IST, damit auch ich endlich wisse, wer ich BIN!
In der Bibel
der postmodernen Esoterik von 1983, in Thorwald Dethlefsen's und Ruediger Dahlke's "Krankheit
als Weg", liest sich das so: "Dieses
Buch ist nicht wissenschaftlich, denn ihm fehlt die Vorsicht der
wissenschaftlichen Darstellung. Es wurde für Menschen geschrieben, die bereit
sind, einen Weg zu gehen, anstatt am Wegrand zu sitzen, und sich die Zeit mit
dem Jonglieren von unverbindlichen Floskeln zu vertreiben. Menschen, deren Ziel
Erleuchtung ist, haben keine Zeit für Wissenschaft - sie brauchen Wissen."
Das Bedürfnis nach esoterischem Wissen, also nach "Innerer Sicherheit!", das im Übrigen als sogenannte "ÜBERZEUGUNG" getarnt auch die RAF beseelt hat, kommt heute, gegenüber der radikalen Unsicherheit dieses nie endenden, dialektischen Begriffsschwalls, dieser intellektuellen Diskursscheiße, also gegenüber dem liberalen Diskurs, zurück in Form einer klassischen und ebenfalls modernen Massenvernichtungswaffe: des Populismus.
Denn im Populismus wird immer ein WIR konstruiert - wir das Volk, wir da unten, wir die vergessenen, und wir die ungerecht behandelten, - das sich gegenüber jenem, liberalen WIR, nicht als Möglichkeit, also als subjektive Diskursformation positioniert (heute Lehrer in Syrien, morgen Flüchtling!), sondern in der Form des absoluten Seins, also der Ausgrenzung.
Das britische Volk ist ja nur insofern heute überhaupt wieder in Existenz gebracht worden, indem nur genau diese sich so bezeichnende Bevölkerung ein "Volk gegen den Rest der Welt", wurde - durch und gegen das Abstraktum Europa. Und das Russische eines gegen das Unrussische, das Polnische eines gegen das Unpolnische, und das Ungarische ....
Der Populismus kann sich immer nur etablieren, indem er das Volk - dieses eigentlich ganz kleine und ängstliche, also irgendwie bedrohte - in einen kleinen Kasten stopft, aus dem es dann herausschallt, dass doch bitte, bitte, bitte alle anderen da Draußen zu bleiben hätten, und dass diese schöne Kleingeistigkeit und Enge hier ja doch so kuschelig warm ist, in dieser unverständlichen, chaotischen Welt.
Das amerikanische Volk des "Make America great again!" ist deswegen auch in keinster Weise identisch mit der Größe des (absoluten) Geistes des amerikanischen Kontinents. Sondern dieses Volk existiert für sich selbst nur als abgrenzende, narzisstische, paranoide Zuschreibung, also als klassisches, esoterisches Eigentlichkeits- und Innerlichkeitswissen.
"Ich weiß ganz für mich und meine Familie und meine Freunde und deren Familienangehörigen - also für die ganze Mafia - wer WIR eigentlich sind. Und DU kannst mit deinem psychologisieren, argumentieren, relativieren, in Frage stellen, kritisieren, diskutieren - du kannst dich auf den Kopf stellen - das interessiert mich alles nicht die Bohne! Denn WIR, die empirische Mehrheit, sind immer die Wahrheit, die du immer behauptet hast - empirisch - für dich zu haben..."
Und über Wahrheit, das weiß schon der Ingeniööör, tja, da lässt sich nun mal leider nicht diskutieren. Und deswegen braucht man dafür auch durchaus keinen Raum in dem diskutiert wird. Also zum Beispiel kein Parlament. Die identitären Bewegungen der Reaktion schreien: "Wir brauchen keine Diskussion, wir brauchen Entscheidungen!" "Gebt mir einen Führer, gebt mir direkte - sprich funktionierende - Demokratie und fälle sie! Die Entscheidung! Höchst persönlich! Führer!..."
"Wir brauchen keinen Diskurs, wir brauchen keine Politik, wir brauchen keinen Benennung!"
"Wir brauchen So-Sein! Wir brauchen dabei sein! Wir brauchen zugehörig sein! Wir müssen richtig, wir müssen authentisch sein!"
Und wenn der Wein geschlürft wird, dann wird der Wein geschlürft. Und zwar NICHT weil er eventuell AUCH geschlürft werden kann. Nein, weil man sagt, dass er geschlürft werden MUSS. Und weil man halt auch sagt, dass es hier den besten, handgeklöppelten Burger der Stadt gibt!
"Denn man kann ja wohl noch mal verlangen dass die Dinge eindeutig sind!. Es muss eindeutig sein was wir essen! Was wir zu essen haben! Es muss eindeutig sein ob es ein Tier oder kein Tier ist. Ganz echt oder ganz echt nicht! Und eben nicht dann doch wieder mit diesen ganzen, unabwägbaren, ewig diskutierbaren Zusatzstoffen! Wir wollen das reine Bier, das ganze Tofu! Craft-Hirsch! Alles andere ist die totale Verarsche und Abzocke durch die symbolische Ordnung! Durch die da oben!"
Und wenn wir nur ganz, ganz, ganz fest daran glauben, dann deckt Julien Assange für die ganze Reaktion, die ganze echte, eigentliche, verdammte Realität auf! Eine Realität, die die ganze verdammte amerikanische Regierung, der ganze verdammte CIA, und der ganze verdammte Mossad schon immer vor uns verstecken wollten. Also nichts als die ganze, reine und echte Wahrheit.
" Denn Die Freideutsche Jugend will ihr Leben vor
eigener Verantwortung
nach
eigener Bestimmung, in innerer Wahrhaftigkeit, ganz selber gestalten.
Für
diese innere Freiheit tritt sie unter allen Umständen, geschlossen ein.
- Alle Veranstaltungen der Freideutschen Jugend
sind alkohol- und nikotinfrei."
(Aus der Meissner Formel der Freideutschen Jugend, 1913)