Neoliberalismus und Globalisierung

Wie die Linke im Kampf um die Begriffe Wirklichkeiten schafft

 

 

 

Einleitung

 

Es ist seit einigen Jahren in gesellschaftlichen Gruppierungen, politischen Parteien und sozialen Bewegungen, die sich als "links" verstehen, beobachtbar, dass sie ihr politisches Terrain, ihr Feld der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, entlang des Begriffs des "Neoliberalismus" und der "Globalisierung" abstecken und um diese herum definieren. Keine linken "Zukunftskongresse", keine Leitartikel, keine Podiumsdiskussion, in der nicht die zentrale Frontstellung und Gegnerschaft zum Neoliberalismus oder zur Globalisierung thematisiert wird. Beide werden beschrieben als das neue Feld gesellschaftlicher Auseinandersetzungen am Anfang des dritten Jahrtausends versehen mit dem Hinweis auf eine neuartige Entwicklungsstufe des Kapitalismus im Zuge der Internationalisierung der Märkte bei gleichzeitiger Schwächung der gesellschaftlichen und staatlichen Gegenkräfte - also der Steuerung oder der Regulation nach den Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit. Das diagnostische Bild, das von Staat, Gesellschaft und ökonomie gezeichnet wird, ist ein fatalistisches Gebilde bestehend aus zwei Entwicklungslinien: einerseits die Schilderung des "Triumphs des Marktes" in grellen Farben und andererseits die "Niederlage (sozial-)staatlicher Institutionen und linker Gegenkräfte" in dunklem schwarz. Und in der Tat: zahlreiche sozioökonomische Daten, viele (wirtschafts-)politische Ereignisse scheinen dem geschilderten düsteren Szenario recht zu geben: Massenentlassungen bei explodierenden Unternehmensgewinnen, Verarmung breiter Bevölkerungsschichten bei extremer Steigerung weniger, privater Vermögen, finanziell kollabierende Sozialsysteme und wachsender Steuerungsverlust des Staates. Gedeutet wird dies als ein Ergebnis der Arbeit mächtiger Interessengruppen, vor allem der Unternehmern und ihrer Verbände, die es bewerkstelligen konnten, in Politik und Gesellschaft eine Art "Hegemonialbewußtsein" oder "herrschende Ideologie" festzusetzen, die vornehmlich ihnen selber – d.h. ihrer ungezügelten Kapitalakkumulation – nutzt. Auch hierfür spricht einiges: der Reichtum steigt, die Unternehmensgewinne explodieren.

Als politisches Gegenprogramm wird kämpferisch zum Sturm auf diese Ideologie – die Neoliberalismus oder wahlweise Globalisierung getauft wurde - geblasen, und zwar auf mehreren Ebenen: im Medium des Wortes als aufklärerische Argumentation und im Mittel der Aktion als demonstrative Geste des Widerstands auf der Straße. Wort und Tat – von jeher das klassischste und romantischste Programm und Mittel des Widerstandes der Linken gegen übermächtige gesellschaftliche Gegner im Kapitalismus.

 

Soweit, so gut. Doch es mutet erstaunlich an, dass trotz massiver Gegenwehr, trotz geführtem Kampf auf allen Ebenen, trotz großangelegten Versuchen der Demaskierung der "Ideologie der Herrschenden", der so bezeichnete "Neoliberalismus" vital wie eh und je erscheint. Mehr noch: er umso lebendiger zu werden scheint, je mehr er bekämpft wird. Die ökonomischen und politischen Zumutungen des sogenannten Neoliberalismus, haben ja in den vergangenen Jahren eher zu- als abgenommen. Wie kommt das? Nun würde man dies im linken Lager sehr wahrscheinlich mit dem ungleich verteilten gesellschaftlichem Machtstatus der sich gegenüberstehenden Gruppierungen erklären: hier die einfach mächtigeren Unternehmerverbände und ihre Agiteure, dort die einfach schwächere Linke. Aber reicht dies als Erklärung aus? Was zeichnet einen sozialen Status aus, der als "mächtiger" oder "schwächer" bezeichnet wird? Was lässt eine Idee und die aus ihr abgeleitenden Gesetzlichkeiten - denn nichts anderes ist ja der Neoliberalismus - "mächtig" sein? Wenn wir einmal von mystisch-göttlichen oder nur sehr schlecht begründbaren naturgesetzlichen oder vulgärdarwinistischen Erklärungen absehen: wie kann es kommen, dass eine gesellschaftlich gefertigte Realität dermaßen "hart" und unveränderlich erscheint, inklusive ihrer scheinbar so klar verteilten (Macht-)Rollen, die politische überzeugungen scheinbar unabdingbar, scheinbar a priori in Sieger und Verlierer aufteilen?[1] Wie geschieht es, dass die Begriffe Neoliberalismus und Globalisierung in ihrer ganzen Entfaltung als so empirisch festgelegth, so notwendig, so automatistisch und deterministisch daher kommen, als ginge es tatsächlich um "Deutschland" oder "Coca-Cola"? Warum gibt sich jemand fast zwanghaft mit der Rolle des Unterlegenen des "ewig Beherrschten" zufrieden, wie es die Linke tut, vor allem wenn sie auf die materialistischen unveränderlichen Gesetzmäßigkeiten des modernen Kapitalismus verweist, der eben so und nicht anders immer schon funktioniere?

 

Betrachten wir deswegen die Begriffe "Neoliberalisums" und "Globalisierung" etwas näher. Wenn man sich die Geschichte und Praxis in der politischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung der beiden Begriffe über die letzten Jahrzehnte anschaut zeigt sich, dass ihre eigentliche politische Aufgabe zunächst darin bestand unterschiedlichste Partikularinteressen und Bedürfnisse auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Da dies niemals vollständig gelingen kann müssen "Neoliberalismus" und "Globalisierung" die zum Zusammenhalt der sich dieser Begriffe bedienenden Bewegungen deren Partikularinteressen noch übersteigen, um schließlich so etwas wie ein imaginiertes "Wir" zu schaffen[2]: Wir die wir dagegen sind, oder "Wir" die wir dafür sind. Wie viele dieser Definitionsmacht, also "Hegemonie", schaffenden Begriffe, sind diese selbst zunächst einmal leer, oder weisen wie im Falle des Neoliberalismus und der Globalisierung komische Verdrehungen in ihren Zuschreibungen auf, die oftmals mehr über diejenigen sagen die mit ihnen ihr "Wir" ausfüllen - wir Kritiker des Neoliberalismus, wir Globalisierungsgegner -, als über das was durch sie benannt werden soll.

 

Dem neuen Liberalismus wird gegenüber seinem aufgeklärten Vorbild, dem gemeinen Liberalismus[3], die Durchsetzung von Partikularinteressen (nämlich der Mächtigen, Politikern, Industriellen, Unternehmern, etc.) gegenüber dem "Volk" vorgeworfen, wie, zum Beispiel, der freie Fluss der Geldströme von dem die Reichen und Mächtigen profitieren, während die einfachen Menschen an ihre Arbeitsplätze gebunden sind, die sie nach Abwanderung des Kapitals verlieren, und später als Arbeitsmigranten an den Grenzen festgehalten werden. Damit schließt der Begriff "Neoliberalismus" vor allem zwei Gruppen mit ihren jeweiligen Partikularinteressen in ein "Wir" ein: die der Arbeitslosen oder von Arbeitslosigkeit und schlecht bezahlten Jobs bedrohten, und die der Arbeitsmigranten und Tagelöhner, denen unüberwindbare und tödliche Grenzen oder die tägliche Schikanierungen an den Grenzübergängen zu schaffen machen. Wie prekär und brüchig der Zusammenschluss dieser zwei Partikularinteressen durch linke Bewegungen jedoch ist, eben genau wie der Begriff Neoliberalismus selbst, wird schnell dadurch deutlich, dass sich die deutschen und europäischen Neofaschisten den Kampf gegen den Neoliberalismus längste selbst auf die Fahnen geschrieben haben (und dies nicht erst seit neuestem) gepaart mit ihrem brutalen Kampf gegen (Arbeits)migranten. Letzterer taucht demnach auch folgerichtig und immer unverhohlener in Kreisen der Linksparteien auf[4].

 

Noch abstrakter aber umso verdrehter geht es im Falle des Begriffs "Globalisierung" zu. Der Begriff ist, oder war, zunächst für alle denkbaren Zuschreibungen offen, da er nur eine ganz wage Geschichte besitzt und als politisch wirkmächtiger Begriff erst während der letzten zwanzig Jahren etabliert wurde.  Wieder beziehen sich die agierenden Gruppen, die "Globalisierung" in irgendeiner Form als zentrales Anliegen formulieren, negativ auf den Begriff (abgesehen von einigen neueren Versuchen ihn für die selbe Gruppe positiv umzudeuten, wie etwa der durch Negri und Hardt in "Empire" und "Multitude"[5]). Wegen seiner enormen Leere, die die des Begriffs Neoliberalismus noch deutlich übersteigt, können entsprechend mehr Partikularinteressen unter dem Stichwort "Globalisierungsgegner" zusammengefasst werden: alle strukturkonservativen Bewegungen etwa, wie zum Beispiel Kommunaristen, Religiöse, Anti-Moderne, Esoteriker, ökologen, etc. Da aber mit seinem negativen Bezugspunkt zur Globalisierung auch der Neoliberalismus im Begriff Globalisierung aufgehoben wurde (also das Partikularinteresse der Neoliberalen sich die Macht global anzueignen), sind automatisch auch alle die sich gegen den "Neoliberalismus" stellen in der Anti-Globalisierungsbewegung: Attac, die Anti-G8 Bewegung, die sozial Foren, sowie die Neofaschisten. Eine wahre Volksbewegung also, oder um es mit Negri und Hardt zu sagen: eine "Multitude" und eine wichtige, politische Kraft.

 

Ein anderes schönes Beispiel ist der Mythos der 68er, der zunächst und vor allem von linken, emanzipatorischen Bewegungen, wie den Punks, der Industrial Bewegung, und der amerikanischen hardcore Bewegung geschaffen wurde, die sich alle kritisch bis negativ auf ihre Vorgängerbewegungen der 60er und 70er Jahre bezogen, und die damit den eigentlichen Mythus, also die virtuelle Gruppe der 68er, so schon Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre haben entstehen lassen. Dies wiederum lange bevor die konservative Revision ihre, im Gegensatz dazu typisch lahme, "anti-political-correctness’ Debatte zu Beginn der 90er, oder auch ihre "die 68er haben Deutschland in ihrer Gewalt" Verschwörungstheorie, im bürgerlichen Spektrum von Zeit über Spiegel und FAZ nett verwurstbar, lancierten[6].

 

Es soll hier nun nicht darum gehen das prekäre oder problematische an dieser oder jener Konstellation dieser politischen Zuschreibungen und den dahinter stehenden Bewegung herauszuarbeiten. Wesentlich mehr interessieren uns hier die Mechanismen, die aus der rein formalen und abstrakten Begriffssetzung und ihrer Praxis eine Wirklichkeit - die neoliberale, globalisierte Welt, oder die Welt der 68er - konstruieren, die so vorher noch nicht existiert hat, weil sie zunächst von den beteiligten Gruppen mit ihren unterschiedlichsten Interessen und in einer historisch immer einzigartigen Konstellation neu beschrieben werden musste, und im entscheidenden Moment eben nur so und nicht anders beschrieben wurde. Diese Mechanismen der Begriffssetzung und Wirklichkeitsbeschreibung, die letztere erst zu dem machen was sie später ist, diese Mechanismen kritisch zu hinterfragen ohne sich blind gegen sie zu stellen, halten wir wiederum für konstitutiv für eine andere Wirklichkeit und Praxis: die der aufgeklärten, kritischen Linken, die sich dem Partikularinteresse eines "kritischen Bewusstseins" verschrieben hat.

 

Um all dies zu verdeutlichen müssen wir jedoch zunächst einen kleinen Umweg machen.

 

 

1. Die Macht der Begriffe

 

a)       "Wirklichkeit" und "Wahrheit"

 

Was ist Realität? Wie kommen wir dazu, etwas als "gegeben", als "real" oder gar als "wahr" zu bezeichnen? Diese ur-philosophische Frage muss hier am Anfang stehen, weil sie sehr viel damit zu tun hat, wie etwas entsteht, mit dem Politik umgehen muss. Auf die Frage nach der Wahrheit kann ich grundsätzlich auf zwei Arten antworten: objektivistisch und subjektivistisch. Als Objektivist glaube ich an eine von mir, dem erkennenden Subjekt, unabhängige Wirklichkeit, die erstens immer schon gegeben ist, zweitens sich mir nicht unmittelbar offenbart und drittens ich aber in der Lage bin, sie Stück für Stück – via Wissenschaft und ihrer Theorien und Methoden – offen zu legen und zu "entziffern". Eng damit verbunden sind Vorstellungen von einem Fortschritt, der im Erkennen der Welt vonstatten geht – je mehr ich entdecke, umso größer der Fortschritt und die innere Logik der Welt. Diese Analyse der Welt als faktisch und gegeben kann klar und eindeutig zwischen wahr und falsch unterscheiden – Wahrheit wird zu etwas, was der Welt von Natur aus innewohnt und ihr - entdeckend - abgerungen werden kann. Wahrheit – oder: "das, was ist" – hat eine zeit- und raumlose, eigene Essenz und Substanz. Vertreter dieser "Weltanschauung" sind die modernen Wissenschaften, der Positivismus, der Rationalismus, der Naturalismus und der Materialismus und sie steht historisch im Dienste dessen was als Klassizismus und Aufklärung, oder auch als Materialismus bezeichnet wird. Als Subjektivist hingegen bestreite ich vehement die Möglichkeit, etwas von mir grundsätzlich unabhängiges erkennen zu können; im Gegenteil: für den Subjektivisten existiert die Welt nur durch und mit ihm, da das menschliche Gehirn "nicht aus sich heraus kann". Insofern "lese" ich nicht in der Welt als offenes Buch, sondern ich erzeuge die Welt, "schreibe" sie. Mit dem Problem der Wahrheit verhält es sich hier etwas komplizierter: Wahrheit "ist" nicht, sie kann daher auch nicht gefunden werden. Wahrheit wird so zu einem Konstrukt, das- höchst fragil, amorph und flüchtig – in unterschiedlichen Sachverhalten, Diskussionen und Thematiken, immer wieder neu hervorgebracht werden muss. Sie wird zu dem Produkt eines Diskurses, von dem man nie sagen kann, wie seine Gestalt letztendlich aussehen wird: "Sag’ mir Wahrheit, wer bist du heute und wer wirst du morgen sein?". Letztlich wird Wahrheit für den Subjektivist zu einer zu füllenden oder auch nicht zu füllenden Variablen, zu einem zutiefst relationistischen und perspektivistischen Gut. Die subjektivistischen Bewegungen stehen damit mehr in einer kantischen und hegelianischen Tradition, und man ordnet sie historisch demnach auch eher den "romantischen", ideologischen Bewegungen zu.

 

Man muss kein belesener Philosoph sein, um schon hier das Gefühl zu hegen, dass an beiden Ansätzen wohl etwas dran ist. Schon unsere alltäglichsten Erfahrungen sagen uns, dass wir in einer Welt voller Begriffe und Bedeutungen leben, die aber leider oftmals so gar nicht zu dem passen wollen was wir gegenüber einer Sache oder eines Sachverhalts empfinden. Der "wahre Kern" des Objektivisten sperrt sich hier gegen "die Durchsetzung eines Begriffs" des Subjektivisten. Wer jemals in die Gelegenheit kam einem hochgeschätzten Menschen seine tief empfundene Zuneigung oder auch seine Vorbehalte ausdrücken zu wollen, weiß wovon hier die Rede ist. Am besten kann man diese menschliche Spaltung zwischen "objektiv" empfundener Wahrheit und "subjektiv" artikulierter Bedeutung wohl in einer Behauptung und einer Frage unterbringen:

 

"Es ist etwas! Aber was?

 

Alvin Gouldner hat dies einmal als die Dialektik zwischen Romantizismus und Klassizismus bezeichnet, die einer sozialtheoretischen Beschreibung der Wirklichkeit seiner Meinung nach am nächsten kommt[7].  Unser Zusammenleben und unser Menschsein wird letztlich dadurch charakterisiert, dass wir mit Hilfe unserer Sprache, also durch Begriffssetzung, ständig mit der "aber was?" Frage beschäftigt sind; sowohl in der Wissenschaft als auch in der Politik. Der "wahre", aber unbestimmt bleibende Kern fungiert somit nur noch als Motor im Hintergrund, der uns zu immer neuen Höchstleistungen im Erfinden von neuen Begriffen für die Beantwortung der "aber was?" Frage antreibt. Der konservative Ideologe gibt sich schnell mit einer Begriffssetzung zufrieden, und einmal gefunden und lieb gewonnen beharrt er auf ihr, unabhängig wie weit sich der "wahre" Kern mittlerweile vom Begriff entfernt hat. Der linke Materialist hingegen glaubt hingebungsvoll daran, dass er letztendlich die Lücke, die sich zwischen dem "was der Fall ist" und seinen Begriffen auftut, schließen wird können, Kraft seines Intellekts. Der Witz am linken, progressiven Versuch sich der Wahrheit anzunähren, ist nun dass er ständig den konservativen Ideologen neue Begriffe in die Hand spielt auf denen diese dann beharren können! Genau wie es mit der bereits erwähnten linken Kritik der siebziger und achtziger Jahre an den 68ern später tatsächlich geschehen ist. Genau so erklärt sich auch, dass aus den progressivsten Linken nicht selten die konservativsten Ideologen werden. Irgendwann geht ihnen einfach die Kraft zur Begriffssetzung aus, und sie verharren der Einfachheit halber in dem was sie als letztes behauptet haben. 

 

 

b)      Was macht den "Neoliberalismus" "wirklich"?

 

Angewendet auf unsere Thematik können wir jetzt folgende Behauptung aufstellen: der Neoliberalismus ist als linker Begriff eines Versuches der Erklärung "was der Fall ist" in die Welt gekommen. Sein wahrer Kern war zusätzlich und als Welterklärung groß und beständig genug, um ihn für ein Festhalten am Begriff, also als eine Ideologie, attraktiv zu machen.  In diesem, für seine heutige Wirkmächtigkeit, alles entscheidenden Moment ist er von einer linken, und progressiv negativen Momentaufnahmen der Wirklichkeit in ein reines Faktum übergegangen, das nur noch von Ungläubigen angezweifelt wird. Und zwar, im Moment des übergangs, von den Ungläubigen beider Seiten. Heute sind wir damit in eine Situation übergetreten wo sich die Frage stellt wer eigentlich dabei mithilft, das Gebilde "Neoliberalismus" am Leben zu erhalten; wer wie und auf welche Weise seinen Anteil daran hat, den Neoliberalismus immer wieder von neuem als Realität, in der wir "unumstößlich" und "unzweifelhaft" zu leben behaupten, zu bestätigen? Ist es die Linke, die sich, zwar negativ, und ursprünglich als "neue" Zustandsbeschreibung der Ausbeutungszusammenhänge gesetzt, auf ihn ständig bezieht. Oder sind es inzwischen nicht vielmehr die Protagonisten des Neoliberalismus selber, die in ihm eine neue Heimat finden. Eine Heimat wie sie sie sich sehr wahrscheinlich zuvor in ihren kühnsten Träumen nicht hätten vorstellen konnten. Hier begegnen wir einer Falle in die sich diejenigen, die sich gerne dualistisch (und eben nicht dialektisch) auf etwas beziehen, leider allzu oft begeben. Indem sie sich ausschließlich negativ – auf einen bestimmten Begriff beziehen, ihn als "Feind" bekämpfen, und dies immer und überall, verleihen sie diesem Begriff, den sie doch so sehr verachten, eine Wirklichkeit, die sie ihm eben gerade nicht wünschen. Wem zum Beispiel das Gesetz als eine Ungerechtigkeit erscheint, oder wer einfach keine Lust hat sich daran zu halten, dem erwidert es gerade dann selbstbewusst: "siehst du, ich wusste dass du mich übertreten willst und deswegen bin ich hier!" Mit einigem Abstand wird es dann entschieden unklar ob das Gesetz oder aber sein übertritt zuerst da war.

 

Für die Praxis der linken Gesellschaftskritik wird damit deutlich: um im politischen Kampf eine Position einnehmen und eine Front bilden zu können, muss sie benennen, einen Begriff finden: für das, was sie selbst ausmacht, ihr kollektives "Wir" und für das, was für sie als "der Gegner" bezeichnet wird. Indem sie jedoch den gefunden Begriff anwendet und permanent wiederholt, produziert sie erst eine durch sie selbst benannte Vorstellung der Welt, die sukzessive einen immer größeren Anteil an unserer Vorstellung von Wirklichkeit fordert. Interessant dabei ist die Eigendynamik, die eine solche "linke Benennung in Permanenz" entfalten kann: die Benennung durch einen Begriff strukturiert fortan die Perspektive des linken Denkens, aber auch die des erklärten Gegners, der sich in seiner zugewiesenen Rolle schneller als irgendjemand lieb sein kann einrichtet und zurecht findet. In dieser übergangsphase, in der aus einer spektakulären Analyse eine für beide Seiten liebgewonnene Identität wird, verschwindet das eigentlich linke, progressive Projekt und entsteht die Blindheit für das querliegende, das brüchige, das nicht-passende, das un-logische in den Welterklärungen, den Antworten auf die Frage: "Es ist etwas! Aber was?". Damit wird spätestens jetzt eine neue Realität erzeugt, die schließlich aus der Perspektive beider Seiten, ob negativ oder positiv, als "so und nicht anders", als "wahr" und als "unabänderlich" erscheint.

 

In der Praxis funktioniert das in etwa folgendermaßen: Wenn ein ATTAC-Funktionär den Wirtschaftsteil einer Tageszeitung liest, wird er – unbewusst oder bewusst – in den Börsen- und Politikmeldungen nach Belegen danach suchen, die seine spezifische Weltwahrnehmung bestätigen – was ist an dieser oder jener Meldung neoliberal? Es ist sicher, dass er bei seiner Lektüre auch fündig werden wird, da die Schlagwörter, die die ökonomie des dritten Jahrtausends dominierenden Massenentlassungen, Dividendensteigerungen, Unternehmensgewinne, identisch geworden sind mit dem Schlagwort "Neoliberalismus". Unser Funktionär wird diese Meldungen also wieder und wieder zum Anlass nehmen, bei der nächsten Podiumsdiskussion die Belege als Beweis für seine These von den "neoliberalen Zeiten" einzunehmen. So stellen wir beim Begriff des Neoliberalismus eine schleichende Entwicklung von seinen Ursprüngen in der ökonomie des freien Waren- und Geldflusses verbunden mit dem Nationalen-Sicherheitsstaat (die Geldströme sind frei; die Menschen aber werden festgehalten) fest, hin zur Charakterisierung des gesamten, weltweiten Haushalts, der ökonomie "wie sie nun einmal heutzutage ist". Nicht ahnend, dass mit der ständigen "Anrufung" des Begriffs dem wachsenden und stets mehr alle gesellschaftlichen Interaktionen durchdringenden Ungeheuer namens "Neoliberalismus" neues Leben eingehaucht wird, transformiert unser exemplarischer ATTAC Funktionär den Begriff vom kritischen Konzept, zum reinen Fakt. Für diese Art der Transformationen gibt es nun viele Beispiele deren Wirkung auf unsere Vorstellung von dem was ist, und vor allem von dem was sein sollte jedoch meist im Dunklen bleibt, allerdings umso spektakulärere Konsequenzen zeitigen kann.

 

Der deutsche Sozialist, Roberto Michels, glaubte Anfangs des 20. Jahrhundert so sehr an die Faktizität des Klassenkampfs, dass er schließlich die Notwendigkeit einer herrschenden sozialen Gruppe als "absolut grundlegend" für das politische und soziale Leben überhaupt erachtete. 1907 nahm er als Repräsentant des revolutionären Flügels der deutschen Sozialisten an einer Konferenz in Paris zum Thema Syndikalismus und Sozialismus teil, auf der er sich zusammen mit anderen italienischen und französischen Syndikalisten vehement gegen parlamentarische Demokratie, Internationalismus und Liberalismus, also die Sozialdemokratie, aussprach. Diese hätte den Glauben an den Klassenkampf verloren und den Sozialismus damit verraten. Roberto Michels wurde schließlich, wie viel andere französische, englische und italienische Sozialisten, Faschist.[8]

 

Ein anderes Bespiel aus neuerer Zeit bei dem kritische Begriffsarbeit zu unkritischer Ideologie oder Dogmatismus wird, ist die sogenannte "anti-deutsche" (Selbstbezeichnung) Bewegung. Diese entstand als kritische Gruppe innerhalb der Linken mit dem Ziel linke Dogmatismen, den versteckten bis offenen linken Antiamerikanismus, den in der Linken oftmals virulenten Antisemitismus, und die verdrängte Nähe zu Faschismus und Nationalsozialismus (siehe oben) aufzudecken, und immer wieder kritisch zu hinterfragen. Leider ist dieser für die Linke zunächst extrem produktive Ansatz langsam aber sicher durch die unkritische Fixierung auf zwei Anti-Begriffe selbst im reinen Dogmatismus gelandet. Dem "anti-deutschen" Vorwurf, wie es kommen könne, dass Linke nationalistische Fahnen, wie etwa die palästinensische, tragen können, die zudem patriarchale und religiöse Fanatismen repräsentieren, wurde das vehemente Tragen einer anderen Fahne entgegengesetzt, nämlich der israelischen. Heute schlagen sich zionistische "anti-deutsche" Linke und die autonome anti-zionistische Palästina Fraktion mit ihren jeweiligen Fahnen gegenseitig die Köpfe ein. Eine klassische anti-kritische Wende von der kritischen Begriffsarbeit zur Ideologie der Zeichen und Begriffe. Je statischer und mechanistischer sich die "anti-deutsche" Bewegung auf "Deutschland" bezieht, und sei es negativ, desto stetiger wird damit nichts anderes behauptet, als dass es so etwas wie "Deutschland" tatsächlich gibt. Dabei ist es gerade dieser gewalttätige Mythos, der hinter einer Vorstellung lebt, dass jenseits eines Flusses der Oder heißt andere Menschen lebten, genau dieser Begriffsmythos ist es der von kritischen Linken nach dem Nationalsozialismus angegriffen wird. Nur unsere Bemühungen die Begriffe offen, unfertig und instabil zu halten, ist die Strategie die uns vor der dogmatischen Katastrophe bewahrt. Die Katastrophe des Nationalsozialismus gründet ja auch in der Einschließung eines Mythos in den kritischen Kampf, also der Einbeziehung der kategorialen Begriffe Nation und Volk, als alle sozialen Beziehungen durchdringende und unhinterfragbare Instanzen, für die ansonsten international gescheiterte Durchsetzung des Sozialismus, zumindest auf nationaler Ebene8.

 

c)       Die drei Phasen der Begriffssetzung

 

Ein in die Welt oder ins kollektive Bewusstsein vorgedrungener Begriff durchläuft grundsätzlich drei Phasen. Zunächst seine assoziative Setzung angestoßen von dem "was ist" und ins Werk gesetzt durch die menschliche Einbildungskraft und die synthetisierende Wirkung des wachen Verstandes[9]. Dann seine empirische Beschleunigung die abhängt von dem praktischen Nutzwert des Begriffs im menschlichen Alltag, sprich schlicht die Möglichkeit den Begriff gewinnbringend, d.h. mit einer großen Nähe zu dem "was ist", in der Kommunikation zu verwerten. Und schließlich seine langsame Verselbständigung zum Mythos, bei dem der Begriff nur noch wegen ihm selbst existiert, d.h. der Begriff ist sein eigenes "das was ist" und entfernt sich damit immer mehr von seiner ursprünglichen Setzung. Während der empirischen Beschleunigung wird der Begriff, dadurch dass er ständig herumgereicht wird, mit immer neuen Assoziationen beladen und aufgeladen, die ihn schließlich auch ganz von seiner ursprünglichen Bedeutung abkoppeln können. Entscheidend ist, dass dies seiner Wirkmächtigkeit keinen Abbruch tut. Und auch der Geist des ursprünglichen Grunds der Setzung bleibt am Begriff haften, in dem Sinne, dass das bestimmte Gefühl weiter existiert, es habe einen guten Grund - "das was war" - gegeben, wegen dem der Begriff in die Welt kam.

 

Der ursprüngliche, assoziative Entstehungshintergrund des Begriffs "Outsourcing", kann bis heute in jedem Handbuch für Manager am Flughafen nachgeschlagen werden. Das "was war (und ist)", ist das Bedürfnis oder auch der Druck eines Unternehmens Arbeitskosten zu sparen, zum Beispiel durch die Auslagerung von Tätigkeiten in der Hoffnung, dass durch den Druck der globalen Konkurrenz und der Rolle von Niedriglohngebieten im internationalen Markt,die Sub-unternehmen das benötigte Produkt billiger anbieten müssen/können, wie man es selbst im Moment herzustellen in der Lage ist. Die Wirkmächtigkeit dieses Ursprungs haftet dem Begriff "Outsourcing" auch heute noch an. Allerdings sind einige Assoziationen hinzugekommen: Zum Beispiel das Potential des Begriffs bei seiner Anrufung kurzfristig die Aktien eines Unternehmens in die Höhe (teils auch nach unten, je nach Bedarf) zu treiben. Die empirische Beschleunigung und Aufladung zu seiner heutigen Wirkmächtigkeit hat der Begriff jedoch durch den unzweifelhaften Erfolg einiger Wirtschaftsbereiche beim Kosten sparen in der massenhaften Durchführung von Produktionsauslagerungen vor allem während der 90er Jahre erhalten. Der heutige Stand seiner Mystifizierung und Wirkmächtigkeit wird dadurch deutlich, dass er als selbständiges Argument (ohne weitere Erklärungen, also als sich selbst genügender Begriff und Grund) unternehmensinnen- und außenpolitisch funktioniert, obwohl in vielen Bereichen sein mittel- bis langfristiger und manchmal sogar schon sein kurzfristiger, ökonomischer Erfolg längst in Frage gestellt ist: Da die technische Rationalisierung und Vervielfachung der Produktivität, die Lohnstückkosten weiter nach unten treibt, steht der menschenleeren Produktionshalle in Deutschland bald die menschenleere Produktionshalle in Bangladesch gegenüber, und die Unternehmen bleiben auf einem unermesslich teuren überhang an Kommunikationskosten, steigenden Transportkosten, Qualitätssicherungsproblemen, Probleme des Spezifikations- und Konfigurationsmanagements mit beträchtlichem juristischen Vertragsaufwand und Kosten bei langen Iterationszyklen sitzen, und das in einer Zeit der sich weltweit angleichenden Lohnstückkosten. Deswegen kann heute schon vorrausgesagt werden, dass dem jetzt neu gesetzten Begriff der "vertically-integrated-production"[10] eine ähnliche Erfolgsgeschichte inklusive seiner Mystifizierung beschieden sein wird, wie sie einst dem "Outsourcing" vergönnt war. Ein schwacher Trost für diejenigen Opfer des Mythos "Outsourcings" die in den letzten Jahren ökonomisch, "ungerechtfertigter" Weise entlassen oder in Zulieferbetrieben ausgebeutet werden (und natürlich auch für alle anderen ökonomisch "gerechtfertigten" Opfern).

 

Aufgabe linker Kritik muss es sein gegen die Mystifizierung der Begriffe oder zumindest gegen die Wirkmächtigkeit und Opfer mystifizierter Begriffe zu kämpfen. Auch derjenigen Begriffe die von Linken selber in die Welt gebracht wurden[11]. Einmal wegen den genannten Opfern der Mystifizierung  (zum Beispiel den Opfern des Nationalsozialismus durch die Mystifizierung der Begriffe "Revolution", "Sozialismus", "Nation", "Volk", und "Rasse") zum andern aber auch, weil die nicht zu schließende Lücke zwischen Begriff und "dem was ist" aufrechterhalten werden muss! Der Grund für letzteres ist offensichtlich: Die einzige Möglichkeit für Politik existiert ausschließlich im Spielraum zwischen dem was Begriffe zu meinen scheinen, und dem wie sie noch und anders interpretiert werden können, also dem "was ist". Politik spielt sich nur genau dort ab und ist nur durch die Existenz dieses Spielraums möglich. Politik "ist" dieser Spielraum. Sonst würden wir in einer Welt leben in der Politik gänzlich durch Administration und durch die Einsicht in die technischen Notwendigkeiten ersetzt wäre, was natürlich auch das Ende jeder Form von Demokratie bedeuten würde. Deswegen argumentiert Ernesto Laclau in "On Populist Reason"[12], dass das "weich machen" von Begriffen durch den Populismus eben keine existenzielle Gefahr für Politik und Demokratie darstellt, wie immer wieder gerne kolportiert wird, sondern gerade ihre eigentliche Vorraussetzung ist.

 

Doch zurück zu den Begriffszyklen. Während der Phase seiner empirischen Beschleunigung braucht der Begriff Nahrung – er wird gefüttert. Zum Beispiel durch das Bemühen eine logisch stringente, in sich stimmige und für die jeweiligen Bedürfnisse passende Argumentation zu finden (und dieses Bemühen ist fundamental und konstitutiv für jeden, der Politik betreibt, weil er überzeugen möchte und plausibel machen möchte, um letztlich Unterstützung zu erhalten). Dadurch erzeugt der politisch tätige Mensch mitunter genau durch ihre schiere begriffliche und logisch spektakuläre Präsenz eine stimmige Wirklichkeit, die er eigentlich bekämpfen möchte. Wer also kapitalismuskritisch unsere Volkswirtschaft und die dazugehörige Wirtschaftspolitik beleuchtet und als "neoliberal" kritisiert, bewirkt dreierlei:

 

-         Sie/er erschafft, wie wir gesehen haben, zunächst die als "neoliberale" bezeichnete Wirklichkeit, indem er sie benennt,

-         Sie/er versorgt sie mit Lebensenergie, indem er die Benennung ständig wiederholt und damit reproduziert und

-         Sie/er unterstellt ihr eine Rationalität und Funktionalität, und damit eine Wirkmächtigkeit, die sie mit Hilfe ihres wahren, unbestimmt bleibenden Kern, dem "was ist", allein vermutlich niemals erreichen würde.

 

Man kann also durchaus sagen, dass der Kritiker des Neoliberalismus den Neoliberalismus als Begriff größer macht als das was er zu bezeichnen und erklären in der Lage ist. Mehr noch, anstatt seinen "wahren Kern" zu bekämpfen, verstärkt er seine irrationalen Anteile. Das was abseits des im traditionellen Diskurs über den Neoliberalisums zu erfahrenen liegt, das was nicht stimmig an gesellschaftlich-ökonomischen Verhältnissen ist die als "neoliberal" bestimmt werden, das was sich als schlichter Mythos erwiesen hat und die Unterscheidungen in das was kontingent oder brüchig ist, findet sich in der Auseinandersetzung um "neoliberale" Verhältnisse oftmals nicht wieder. Genau aber jene Brüche sind es, die es auszumachen gilt, wenn man den gegenwärtigen, politökonomischen Verhältnissen zu Leibe rücken will. Genau jene Inkonsistenten der von wem auch immer zur Durchsetzung von was auch immer gesetzten Begriffe, sind es, die zum Ausgangs- und Zielpunkt einer linken Gesellschaftskritik werden müssten. Die Frage die sich uns also stellt lautet: wie die Welt verändern, ohne die Macht über die Begriffe zu übernehmen?



[1] Wir kennen natürlich das klassische Beispiel, dass "Deutschland" ohne Krieg, Mord und Totschlag als gesellschaftlich konstruierte Realität nicht zu verändern ist,, genau wie "Frankreich", "England", etc. Dies obwohl wir Raum und Zeit des Seins "Deutschland" nicht vermessen können, jede vernünftige, physikalische Messanordnung sich daran die Zähne ausbeißen muss. (Vgl. auch Volker Koehnen, Die Sozialisierung der Psychatrie, systeme, 2/07, Jg.21, 2007.)

[2] Dieses "Wir" kann hier als nichts anderes als ein das eigene individuelle Selbstbewusstsein ersetzendes kollektives Bewusstsein gedeutet werden, oder, wie Freud es in Massenpsychologie und Ich-Anlyse, Gesammelte Werke XIII, Zehnte Auflage, 1998, beschreibt, "eine Masse von Individuen, die ein und dasselbe Objekt an die Stelle ihres Ichideals gesetzt und sich infolgedessen in ihrem Ich miteinander identifiziert haben". Freud beschreibt dies als die typische Konstitution einer "Masse" mit Führer, wobei der Führer, wie bei den von ihm angeführten Beispielen der Kirche oder des Militärs, aber auch des aufkommenden Sozialismus, wahlweise aus einer Person oder aus einer diese Person ersetzenden Idee bestehen kann.

[3] Dessen Leitmotive, Rechtsstaat, parlamentarische Demokratie und freie Entfaltung des Einzelnen, wurden schon zu Ende des 19. Jahrhunderst von vielen Sozialisten und den romantischen Bewegungen und später den Faschisten angegriffen, übrigens aus durchaus ähnlicher Motivation heraus, weil hinter dem Liberalismus die Durchsetzung von Partikularinteressen gegenüber den Interessen und Bedürfnissen des Volkes, der Massen, also eines spezifischen gemeinschaftlichen "Wir" vermutet wurde.

[4] Es ist absolut falsch zu behaupten die Neofaschisten wären hier auf einen neuen, populären Zug aufgesprungen. Der Kampf gegen den Liberalismus und die Moderne liegt an der Wiege des Faschismus selbst (vgl. z.B., Zeev Sternhell, Faschistische Ideologie, Verbrecher Verlag).

[5] Negri und Hardt haben erkannt dass die Fallstricke die der negative Bezug auf "Globalisierung" verursacht für denjenigen, linken Teil der Bewegung, der sich in der marxistischen Tradition der sozialistischen Internationale und des Operaismus sieht fatal sein können.

[6] Vgl. auch Diedrich Diederichsen, So genannte Generationen, Jungle World Nr. 1, 2008.

[7] Vgl. auch Marinus Ossewaarde, The Dialectic between Romanticism and Classicism in Europe, European Journal of Social Theory, 10(4): 523-542, 2007.

[8] Zeev Sternhell, Faschistische Ideologie, 1. Auflage, Verbrecher Verlag, Berlin 2002, S. 45ff.

[9] Woher die menschliche Einbildungskraft ihre Begriffe rational oder assoziative nimmt soll hier nicht näher beleuchtet werden, da es für die vorliegenden Gedanken unwesentlich ist. Gegen den kantischen Begriff der Einbildungskraft als Ausdruck der Vernunft der den atomistischen Charakter der Dinge zusammenfügt, setzt Hegel die Einbildungskraft als negative Kraft, welche die Dinge wie sie sind in der "Nacht der Welt" in ihre Einzelteile zerlegt, also in die Partialobjektmonster unseres Unterbewusstseins und unserer Träume, während der synthetisierende Verstand (nicht die Vernunft!) sie erst später wieder zum realen, ganzen Begriff zusammensetzt.

[10] Vgl. zum Beispiel die Wirtschafts- und Marketingstrategie von American Apparel.

[11] Von den analytisch spannendsten und politisch wirksamsten sind das interessanterweise sowieso die meisten.

[12] Ernesto Laclau, On Populist Reason, Verso, 2005.