IFKT.org - Wir über uns
und über die unterschiedlichen Möglichkeiten von linker Theorie und Praxis
Stets ging es Philosophie in ihrem Bemühen, die Welt zu deuten, darum, entweder eine Unmittelbarkeit der Objekte für das Subjekt zu postulieren (Metaphysik), oder aber die im weitesten Sinne symbolische Vermittlung des Gegebenen durch das Subjekt einzuräumen (dialektischer Materialismus). Die Geschichte des abendländischen Denkens ist deshalb eine Geschichte der Opposition zwischen Unmittelbarkeit und Vermitteltheit unseres Seins. Jedes philosophische Denkgebäude der letzten 2500 Jahre läßt sich einer dieser beiden Seiten unmittelbar oder eben mittelbar zurechnen. Kurz: ob vorkantisch-''unkritisch'' oder nach-kantianisch-''kritisch'', Philosophie ist im Kern ein Kampf um die Repräsentanz des Verhältnis unserer Vorstellung von der Welt zu den Objekten in der Welt.
Linke politische Theorien sind in ihren Gemeinsam- und Widersprüchlichkeiten deswegen ebenfalls in ihren Kernthemen und in ihrem Denken von dieser Opposition durchzogen. Linke Theorie gibt deswegen auf ihre große politische Kernfragen - der Reflexion über die systemischen und politischen Grundlagen des menschlichen Seins im Kapitalismus und dem Versuch emanzipative, politische Alternativen aufzuzeigen - seit jeher sich durchaus widersprechende Antworten.
Linke Theorie verbindet also einerseits ihr historisch begründet und begründetes Bewußtsein, mit der Überzeugung, dass politisch-emanzipatorisches Handeln notwendig der theoretischen Reflexion bedarf. Sie bewegt sich andererseits mit diesem Nachdenken ganz natürlich innerhalb der Grenzen des zuvor genannten philosophischen Oppositionsfeldes und ergreift, je nach Traditionslinie, Partei für die metaphysisch wesenhafte oder für die dialektisch-materialistische Seite der Vermittlung.
Die theoretische und praktische Position von IFKT in diesem Feld der Auseinandersetzung um dialektischen Materialismus und Metaphysik, die auch die Gründung der Webseite motivierte, besteht einerseits - formal - aus der leidenschaftlichen Affirmation der Notwendigkeit von linker philosophischer Reflexion. Diese uns eigene ''Lust am Philosophieren'' folgt dabei aber aus der dialektisch-materialistischen Positionierung, weil die Vermittlungsthese gerade die Reflexion darüber erzwingt, was denn nun begrifflich-konzeptionell auf welche Weise vermittelt sei. Das heißt, es gilt bei einer ständigen ''Arbeit am Begriff'' sowohl das jeweilige Abstrakte als auch das Konkrete in den Blick zu nehmen.
Daraus folgt, dass wir andererseits - inhaltlich - der festen Überzeugung sind, dass dieser Blick, also die Begriffsarbeit, mit denen wir den Kapitalismus kritisieren und damit, so hoffen wir, Möglichkeiten zur politischen Emanzipation aufzeigen, notwendig den ''Mord am Ding-an-sich'' darstellen, und damit ein unhintergehbare symbolische Vermitteltheit der Welt für uns belegen. Dies steht also im Gegensatz zu jeder naturwisenschaftlichen, religösen, oder esoterischen Argumentation, mit Hilfe der, sei es durch Empirie, durch den Glauben an die Gesetze des Schöpfergotts, oder an die spirituellen Gesetze der einen Natur, das absolute Wesen der Dinge-an-sich metaphysisch garantiert werden soll.
Gleichzeitig begeben wir uns damit auch in die explizite Ablehnung derjenigen postmodernen Diskurstheorien, die das ''Ding an sich'' - und damit jeden Begriff von Objektivität überhaupt - abschaffen wollen, indem sie die Welt komplett virtualisiert und im Modus der ''Post-Politik'' zu einer ausschließlich konstruktivistischen Fiktion ohne materielle Basis reduziert. Die Objekte in der Welt sind für uns immer schon vermittelt, aber nicht an sich selbst vermittelt.
Wir meinen demgegenüber, dass linke Theorie und Praxis, der Lücke, die aus dem Charakter der Welt als vermittelte folgt, gegenüber loyal sein muß, und dass sich linke Politik in diesem Sinne immer einer konstitutiven Brüchigkeit des eigenen Arguments bewußt sein sollte. Das heißt nicht, dass diese Ausgangslage es uns etwa verunmöglichen würde, einen dezidierten Standpunkt oder eine Position der Wahrheit einzunehmen - nein; denn dies ist keine Frage des ''ob'', sondern des wie. Ist das Denken von einem übersozialen Wesen (Gott, oder der Natur) bestimmt, oder ist es sich bewußt, dass Denken immer im Medium des Denkens denkt? Gerade wenn sich linkes Denken seines Denkens als radikal menschliches, und damit je immer schon politisches, Denken bewußt ist, kann es ihm gerade wegen seine symbolischen Kontingenz gelingen, Partei etwa für die symbolisch und materiell ''Anteillosen'' zu ergreifen. Und es kann ihm bewußt werden, dass selbst radikale gesellschaftliche Umwälzung die Herrschaft des Symbols, und damit Herrschaft an sich, nie los wird, wohl aber eine andere, sozialere, demokratischere usw. Formation gesellschaftlicher Herrschaft erreichbar scheint.
Wir sehen uns damit einerseits in der Tradition eines dialektischen, materialistischen und ''negativen'' Denkens, wie Marx es in der hegelschen Tradition weiterentwickelt hat und welches von der Kritischen Theorie Adornos aufgegriffen wurde. Eine geschlossene Grenze zwischen Staaten ist für uns genauso materiell wie der Hunger derer die davor stehen; mehr noch, letzterer kann für kann für jegliche Art linker politischer Theorie überhaupt nur deswegen von Bedeutung sein weil erstere ist. Den nicht der physische Hunger an sich ist von einer politischen Qualität der linke Theorie und Praxis betrifft, sondern es ist der Hunger der durch Ausschluss, durch die materiell gewordenen, symbolischen Grenzen, entsteht. Andererseits fühlen wir uns dem strukturalistischen Denken, wie etwa dem der Freud’schen oder lacanianischen Psychoanalyse, verbunden, weil dieses es uns ermöglicht, politische Prozesse als Bewegungen in und von Grenzregimen im symbolischen wie materiellen Sinne, also in der signifikanten wie materialen Dialektik von Exklusion und Inklusion, mithin in der Perspektive sowohl auf die ''Ausgeschlossenen'' zu begreifen, als auch im Bezug auf die dem Kapitalismus eigene Materialität und Funktion, die dem Subjekt wesentlich unbewusst ist, wie zum Beispiel im Warenfetischismus.
Demgegenüber lehnen wir jede narzisstische Sehnsucht nach Auflösung jeglicher symbolischer Vermitteltheit, wie sie sich im Christentum oder auch in manchen Formen des Anarchismus und des Neoliberalismus ausdrückt, als politisch gefährlich ab, weil sich in diesem Bedürfnis nach einer ''Bewegung um der Bewegung'' willen, wie Eichmann den Nationalsozialsimus sah, der ''Aktion um der Aktion'' willen, wie manche ''linke'' Bewegung sich gern geriert, oder der ''Freiheit um der Freiheit'' willen, sich also im Bedürfnis nach dem Tod des symbolisch vermittelten Hegemons von Gesetz und Politik an sich, ein politischer und philosophischer Nihilismius ausdrückt, den Freud als ''Todestrieb'' charakterisiert hat, und der gegeignet sein wird den sicherlich bevorstehenden Zusammenbruch des Kapitalismus in eine (alte oder neue) Form des Faschismus zu überführen.
Diese Webseite soll nun eine Plattform bieten für die linke Diskussion um alternative Strategien, Handlungsrationalitäten und Philosophien. Dazu werden auf dieser Seite Texte veröffentlicht, die wir über die Jahre angesammelt haben und weiter ansammeln werden. Wir glauben, dass gerade durch eine kritische Auseinandersetzung mit der wichtigen Rolle die linke Gegenbewegungen, Theorien, Parolen, Mythen, Strategien, Emanzipationen und Aktionen im weltweiten Bürgerkrieg (Roussau) immer schon zugewiesen wurde, durchaus eine Chance besteht (und tatsächlich immer schon bestand und manchmal auch genützt wurde) Wirklichkeit zu verändern.
Volker Koehnen
Rüdiger Lang
Frankfurt, September 2012