... 2011 bis heute.
von ImJuni Im Herbst 2021 könnte es nun ''endlich'' so weit sein. Zumindest wird auf allen Ebenen schwarzer und grüner Politik im Lande über die Möglichkeit und Wünschbarkeit einer zukünftigen, schwarz-grünen Koalition nachgedacht. Dies wäre ein vorläufiges Ende eines "langen Wegs der Grünen zu sich selbst'', um einen Buchtitel Joschka Fischers zu paraphrasieren. Dass es immer noch alte (!), ''hartgesottene'' (Selbstbezeichnung), Grüne gibt, die so etwas für einen Tabubruch halten, ist ziemlich unverständlich, und ja, ahistorisch. Ein Blick auf den Ursprung der Ökologie-Bewegungen und vor allem der Parteiwerdung der grünen in der Baden-Württembergischen Mutterprovinz sagt uns warum. Schon in 2011 erschien zu diesem Thema auf ifkt.org ein entsprechender Beitrag, den wir aus Anlaß des aufziehenden 2021er Wahlkampf hier noch einmal vornanstellen. ifkt.org 2011: '' Grüne Politik war und ist in ihrer Seele konservativ und kommt nun endlich zu sich selbst. Insofern ist es ebenfalls folgerichtig, dass Ökologie in der SPD, und mit Einschränkungen auch in der Linken, nie nachhaltig identitätsstiftend gewirkt haben. Für Sozialdemokratie kann Ökologie nur der Mittel zum Zwecke sein dem Menschen - allen Menschen - zu einem besseren Leben zu verhelfen. Und das geht, angesichts der offensichtlichen ökologischen und sozialen Defizite des Weltzustands, nur mit Hilfe von progressivem und emanzipatorischem Denken. In diesem Sinne, liegt in den sich langsam aber sicher manifestierenden schwarz-grünen Bürgerkoalition, und indem diese ihren eigentlichen öko-konservativen Kern nun endlichen zur Kenntlichkeit herausarbeiten, eine große Chance für SPD und Linke endlich nicht nur ein substantielles, neues Bündnis für einen demokratischen, parlamentarischen Sozialismus mittelfristig heraus zu arbeiten, sondern langfristig auch zum hegemonial-politischen Erfolg zu führen.'' Das vollständige Essay gibt es hier. -------------------------------------------------------------------- Über diese Welt-aus-den-FugenÜber Verschwörung und Entfremdung
von ImJuni Entfremdung bedeutet, dass vieles von dem, was die symbolische Ordnung, der Zustand der Situation, für uns an ''echt echter' Wirklichkeit generiert, erstens menschlich ist (denn Natur generiert keine symbolischen Ordnungen), aber zweitens für uns trotzdem wie ein Naturgesetz wirkt: übermenschlich, ohnmächtig! Und menschliches Dasein damit, ganz konkret, als ein Spielball der Zusammenhänge und Gesetze erscheint. Ob nun Menschen an Ausbeutung oder am Burn-Out zugrunde gehen. Immer erscheint der Entfremdeten das eigentlich nur Erdachte, Symbolische, der Staat, die Nation, die Lohnarbeit, als ein Naturgesetz, als etwas das sein So-sein darüber bekommt wie es in Wikipedia steht, gegen das kein Zauberspruch wirkt, und dem kein Batman und kein Superhero, gewachsen zu sein scheinen. Dieses Phantasma des ewigen faktischen So-Seins von Allem in Allem, NaturSchafft das Volk ab - demokratisieren wir Europa!
von Volker Koehnen 1. Was bedeutet es, wenn ein Land per Volksabstimmung aus einer internationalen Organisation austritt? Dass es nicht mehr Teil sein will, sondern Ganzes; wer sich aber rücksichtslos zum Ganzen erklärt, zerfällt über kurz oder lang selbst in Einzelteile. In Schottland und bei Spaniens Anspruch auf das britische Gibraltar ist das bereits am ersten Tag nach dem Brexit zu besichtigen. Das ist der verdrängte Punkt im Nationalismus: wer sich selbst als widerspruchsfreie Ganzheit verdinglicht, der wird mit der Rückkehr des Verdrängten in Form anderer Konflikte konfrontiert; was dann wiederum neuerliche Gewalt in Gang setzt, um das Phantasma auf Biegen und Brechen aufrechterhalten zu können. Das ist eine Lektion, die die Trumps, Johnsons, Gaulands, Orbans, Putins und Erdogans in ihrer kindlich-brutalen Naivität nicht begreifen (können). 2. Wie ist es zu verstehen, dass diese Mehrheit nicht nach dem (ökonomischen, politischen,...) rationalen Eigeninteresse (sonst hätte das Ergebnis ein anderes sein müssen), sondern aus purem Ressentiment gegen das Fremde und Andere entschieden hat? Dass es nicht um ein rationales Für oder Wider, Vor- oder Nachteile bezüglich der EU ging, sondern um ein selbstbezügliches, gerade nicht an den Anderen gerichtetes Statement, einen "passage-a-l'acte" (J. Lacan), eine Art verzweifelte, wütende Geste der notdürftigen Identitätsinstallation in einer brüchigen Welt auf Kosten der Schwachen, die dem Benjaminschen Begriff der "göttlichen Gewalt" (Gewalt als Mittel ohne Zweck) ähnlich ist; wer aber auf diese Weise im- und explizit gar kein Teil von Politik sein will, sondern die Mechanismen und Institutionen der Politik lediglich gebraucht, um den unpolitischen jeweils inneren Schweinehund von der Kette zu lassen, der steht mitten im Todestrieb und will - vernichten; auch sich selbst. Hier schrumpft kläglich der rechtspopulistisch so lauthals und pathetisch wie falsch deklamierte "Wille des Volkes zur Selbsbestimmung" zum pubertierenden Starrsinn von Senior*innen mittleren und fortgeschritteneren Alters, deren Akne sich inzwischen nach innen gewendet und aufs politische Bewusstsein gelegt hat. 3. Was heißt es für Europa, wenn eine so elementare, nicht nur für Großbritannien sondern auch alle anderen EU-Staaten so wichtige Entscheidung in die Hände eines Volkes gelegt wird, das in seiner Mehrheit weder intellektuell in der Lage ist zu begreifen, worum es geht (dafür spricht u. a. der massenhafte Google-Zugriff auf die Folgen eines Brexits nach der Abstimmung), noch die spezifische Logik des Politischen verstehen zu können, die sich gerade von der Logik des Alltags fundamental unterscheidet? Dass die Gefahr eines Krieges herauf beschworen wird, dessen Rationalität und Aktualität sich geschichtlich stets aus jener Energie speist, die sich da freisetzt, wo symbolische Rahmung verleugnet und körperlich-reale Zustände hypostasiert werden. Auf diesen Krieg setzen Rechtspopulisten und Dschihadisten gleichermaßen. Insofern kann die Brexit-Entscheidung durchaus als ein weiterer trauriger Anschlag auf das liberale, soziale, demokratische Europa interpretiert werden. Warum? Krieg ist das Andere des (symbolischen) Staates als "Zustand der Situation" (A. Badiou), deswegen sind Dschihadisten das Symptom zerbrochener Staaten (IS in Syrien, Irak, Libyen) und Rechtspopulisten der Sprengsatz für liberale Staaten als hegelianischer Anerkennungszusammenhang - beide trachten nach der Errichtung idiosynkratischer und illiberaler "Staatlichkeit" (besser: "Körperanordnung"), wahlweise als Gottesstaat oder als völkischer Nationalstaat. Es ist daher zu fordern: schafft das Volk ab. Nehmt den Rechtspopulisten - und dem Volk selbst - das Volk weg ("Volk" hier verstanden als verdinglichte, substantialisierte und mythische Größe) und führt stattdessen echte Demokratie in Europa ein. Das Volk ist nichts. Seine Souveränität alles. Deswegen muss sich das Volk zu einem zur "liberalen Öffentlichkeit versammelten Publikum rational argumentierender und diskutierender Staatsbürger*innen" (Habermas) transformieren, zu einem lebendigen dialektischen Zusammenhang von Parlament und Straße. Das ist der eigentliche Reformbedarf, den die EU hat. 4. Was also tun, um mit Lenin zu sprechen? Die EU hat jetzt die Chance, sich grundlegend zu transformieren, hin zu einem Staatenbund radikaler Demokratie, sozialer Gerechtigkeit, liberaler Freiheit und gegenseitiger Solidarität. Und weg von einem Zweckbündnis neoliberalen Zwangs (Griechenland), rassistischer Ausgrenzung (Festung Europa) und globaler Ausbeutung (ungerechte Weltwirtschaftsordnung). Letztlich ist es dieses Gesicht (von durchaus auch anderen Gesichtern) der EU, das als Brandbeschleuniger der rechtspopulistischen Radikalisierung fungiert. Wenn die EU Ihr Phantasma auf diese Weise durchschreitet, kann sich ein emanzipatorischer Weg eröffnen. Damit könnte nicht zuletzt jene für das Erstarken von Rechtspopulismen verantwortliche Überlagerung kapitalistischer Antagonismen durch ideologische Kulturkämpfe aufgelöst werden und das wahre Leiden der Subjekte benannt werden: das Kapital als gesellschaftliche Synthesis, das brutal herrscht und gewaltförmig ausbeutet; und eben nicht "die da oben" oder Parlamente. Die bittere Ironie besteht indes darin: die von Jahrzehnten neoliberaler Zerstörung (Thatcher, Blair, Cameron,...) gebeutelten Briten, die paradoxerweise ihre Regierungen immer mit satten Mehrheiten ausstattete, ließen sich in ihrer Leave-Hysterie gerade von denen anführen, die für eben jene Zerstörung stehen. Und mehr noch: sie wollten aus einer EU raus, die in den letzten Jahrzehnten oft gegen britische Regierungen stand, wenn es um mehr und nicht weniger Regulierung oder für mehr und nicht weniger Umverteilung ging; Großbritannien war immer ein Stückchen noch neoliberaler als Kontinentaleuropa. Georg Diez fasst das hellsichtig zusammen: "(...) dieser "Aufstand", so nennt es die "Financial Times", ist ein Aufstand der Verlierer der letzten 30 Jahre, der angeführt wird von denen, die entscheidend verantwortlich sind für all das, wogegen sich der Brexit-Protest richtete - die Konservativen und die Marktradikalen. Die Arbeiter und die untere Mittelschicht, die seit der Revolution von Margaret Thatcher Anfang der Achtzigerjahre immer stärker unter der wachsenden Ungleichheit leiden, haben sich einreden lassen, dass die EU für ihre Sorgen verantwortlich ist. Und nun sitzen sie mit denen im Boot, die sie sie benutzt haben. Ihr Sieg war Systemwiderstand. Es war Eliten-Hass, angeführt von der Elite." (Georg Diez, spiegelonline v. 26.6.2016). Trotz alledem: Die Utopie, die bleibt, lautet: Sozialismus (= Liberalismus ohne Kapitalismus) oder Barbarei (entweder Demokratie ohne Liberalismus und ohne Kapitalismus oder Gottesstaat ohne Demokratie, Liberalismus und Kapitalismus). --------------------------------------------------------------------Fest im Griff der teenage angst - nationalistische Mythen und rassistische Ressentiments
von ImJuni Die Mehrheit der Bevölkerung hasst die Institutionen dieses Systems, weil es mehrheitlich an das andere System dahinter, an den Kapitalismus, und an die Macht des Wissens, aus tiefstem Herzen glaubt. Nur weil dieser Glauben so tief in der Mehrheitsbevölkerung verankert ist, muss das Scheitern großer Teile der Bevölkerung an den Forderungen genau dieses Kapitalismus, an ihrem eigenen Glauben, zu einem hysterischen Anerkennungsproblem werden (siehe ifkt.org: V. Koehnen und R. Lang, Welche Freiheit?). Und dass der Hass gegen die Institutionen tatsächlich heute mehrheitlich aus einem Anerkennungsproblem gespeist ist ("ich will von der kapitalistischen Welt und ihren spektakulären, mir immer und überall präsentierten Möglichkeiten, endlich auch anerkannt sein; ich will endlich auch erfolgreich sein"), und nicht etwa ein kritische, reflektierte Haltung gegenüber den unmenschlichen Prinzipien des Neoliberalismus darstellt - wie die Linke gerne die grassierende Unzufriedenheit der Bevölkerung fehlinterpretiert - das sieht man schlicht daran, dass sich der Hass der Zurückgestoßenen vor allem in nationalistischen Mythen und rassistischen Ressentiments entlädt. Denn diese sind die exemplarischen Zeichen einer narzisstischen Kränkung, die Zeichen eines Anerkennungsproblems, das sich im Hass eines verstoßenen Verliebten gegenüber seiner "unmenschlichen" Geliebten entäußert. Und die Katastrophe nimmt heute ihren Lauf, weil es ist gerade jenes, verehrte Glaubenssystem des materiellen Erfolgs durch harte Arbeit, produktiver Konkurrenz und Faktenbesserwisserei, das heute im Begriff steht als Ganzes unterzugehen (siehe z.B. Vom Ende des Kapitalismus oder hier). -------------------------------------------------------------------- Welche Freiheit?Die SPD - Nachdem die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) bei der nächsten Landtagswahl wieder deutlich unter der 20% Schwelle bleiben wird, wird wieder allerorten die Frage nach dem Verbleib der berühmten Basis diskutiert, welche der SPD mittlerweile angeblich fehlt. Darauf ist natürlich sofort mit der Gegenfrage zu antworten, welche Basis denn gemeint sein könnte, die die SPD zuvor angeblich repräsentiert hätte, und die man jetzt vermissen könnte. Und damit wären wir auch schon bei der Arbeiterbewegung angelangt, die, zumindest historisch gesehen, einst eine Basis der SPD Mitglieder war.
Die Arbeiterbewegung - Die gegenwärtige Krise der Lohnarbeit liegt im eigentlichen Sinne am Ursprung der Krise von SPD und Gewerkschaften, und diese ist wiederum nichts weiter als eine Krise des Selbstverständnisses und der Selbstverordnung der ehemaligen Arbeiterbewegung(en). Die Krise der Lohnarbeit ist aber nicht nur eine Krise der Arbeiterbewegung. Sie ist eine Krise des Kapitalismus! Die Krise des Kapitalismus - Am Ursprung eines langsamen aber letztlich unaufhaltsamen Abschied vom Kapitalismus und damit auch von der Lohnarbeit wie wir sie heute kennen, der für uns alle auch ein Abstieg ins Ungewisse sein wird, steht ein für Marx zentraler Widerspruch des kapitalistischen Wirtschaftens: die Tendenz zu fallenden Profitraten in Zeiten des freien Wettbewerbs. weiter... ------------------------------------------------------------------------------------------ Not in my name!Über Verdinglichung, Bildung als Dienstleistung, Expertenwissen und Zynismus
von ImJuni Das was Bildung ausmacht erschließt sich nicht aus ihrer ungenügenden Verbreitung oder ihrer pädagogisch schlechten Anwendung, sondern aus ihrem Wandel als Begriff von Bildung, also von dem was je systemimmanent, das heißt abhängig vom gesellschaftlichen ''Zustand der Situation'', darunter verstanden wurde und wird. Wenn Adorno also zu Beginn seiner ''Theorie der Halbbildung'' schließt, dass Bildung zu ''sozialisierter Halbbildung'' geworden ist, meint er eben nicht, dass überall zwar meist eine degenerierte Form von dem was Bildung meinte zur Anwendung kommen würde, während irgendwo sonst immerhin noch eine, die Eigentliche, ''gute'' Form von Bildung wesen würde. Sondern Adorno kommt schon 1959 zu dem Ergebnis, dass sich der historische, bürgerliche Begriff von Bildung bis hinauf in die obersten Etagen der Exzellenzuniversitätsordinariate und hinüber in den Kreis der sogenannten ''Kulturschaffenden'', Künstler, Feuilletonisten, etc. als Begriff, substantiell geändert hat, ohne jedoch von der Aura des aufklärerischen und emanzipatorischen Ursprungs seines ursprünglichen Ideals lassen zu wollen. Und dies obwohl in Theorie und Praxis des heutigen Bildungs- und Kulturbegriffs fast keine der Kriterien mehr zum Tragen kommen, die den Gründungsmythos des bürgerlichen Bildungs- und Kulturbegriffs noch beseelt haben: Müßiggang, materielle Unabhängigkeit, Geheimwissen. Der Nationalsozialismus, dem mit wehenden Fahnen große Teile der sogenannten Bildungseliten anheimfielen, hat den Mythos von Bildung als aufklärerisches Moment''Friedensmahnwachen'', hypernarzisstische Subjektivität und postpolitisch-autoritärer Kapitalismus
von Volker Koehnen Ob die drei Hautakteure der ''Friedensmahnwachen'' - Jebsen, Elsässer und Mährholz - als Personen nun rechtspopulistisch, rassistisch oder antisemitisch eingestellt sind, ist für die politische Beurteilung der ''neuen Montagsdemos'' als Spektakel völlig uninteressant, ebenso wie die pauschale Kritik an politisch nicht festgelegten Teilnehmer_innen an diesen Demos zu dieser Einordnung wenig beiträgt, denen es doch um ein Herzensangelegenheit (''Kein Krieg!'') zu gehen scheint. Vielmehr sollte linke und emanzipatorische Kräfte interessieren, was eigentlich bei den ''neuen Montagsdemos'' politisch konkret passiert, mit welchen Vokabeln kommuniziert wird, welche politische Wirkung dies entfaltet und in welcher politischen ''Ecke'' man sich als Teilnehmer_in wiederfinden kann, wenn man sich auf das Spektakel einlässt. Das Phänomen ''neue Montagsdemos'' bzw. ihrer Organisatoren kann durchaus als das Symptom eines inhaltsentleerten, unpolitischen Kapitalismus in seiner postpolitisch-autoritären Form schlechthin interpretiert werden, welcher zur Steigerung von Entpolitisierung und Desorientierung der Menschen beiträgt. Damit sind die ''neuen Montagsdemos'' Teil dessen, was sie kritisieren. Insofern wird im Folgenden keine Psychoanalyse der drei Organisatoren Jebsen, Elsässer und Mährholz angefertigt, wohl aber eine kritische Beschreibung eines (un-)politischen Phänomens versucht. Eine stark gekürzte Version des Textes erschien zuerst in der Frankfurter Rundschau, vom 20. Mai 2014, S.18. Den vollständigen Essay gibt es nun hier. ------------------------------------------------------------------------------------------Lessons learned from a marxist reinterpretation of an economic case study
von ImJuni The work of Dustmann et al from the Centre for Research and Analysis of Migration (CReAM) of the University College London entitled: From Sick Man of Europe to Economic Superstar: Germany's Resurgent Economy, which appeared in the Journal of Econmomic Perspecitives earlier this year is a very nice example on what can be learned form the perspective of the emancipatory left concerning key aspects of the current economic crises and beyond, by studying the work of some leading economists of the scientific, established mainstream. Dustmann et al may not appear to the non-community reader as residing ideologically on the neo-liberal side of things when just considering an overall rough summary of their main conclusions drawn: it was not thanks to Schröder's ''Hartz IV'' legislation framework but thanks to the independency of the unions and the companies (''Tarifautonomie''), which managed to reduce wages very efficiently throughout the nineties and with this provided the real basis of the concurrent economic success of Germany. However, one should read very closely through the detailed conclusions drawn from their analysis - from which, as I hope to demonstrate in the following, a lot can be learned for the marxist case - in order to arrive at an ideologically somewhat mixed picture of the economic and socio-political point of view of the authors, whose essential political and ideological key-target of criticism is the designated implementation of a minimum wage-level in Germany by means of state legislation. Den vollständigen Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------... und die Chancen für ein neues, sozialistisches Bündnis
von ImJuni Schwarz-grüne Regierungen in Hamburg, Darmstadt, Frankfurt, Aachen, in Hessen und ja, im übertragenen Sinne, auch in Baden-Württemberg, dem Zentrum der Bio-Konservativen Bewegung [1]. Dazu der Atomausstieg der CDU und schließlich sind wir auch auf Bundesebene 2013 nur knapp an einer schwarz-grünen Regierung vorbeigeschrammt; die Vorbereitungen dazu laufen hinter den Kulissen weiterhin auf Hochtouren. Die Zeichen stehen auf Schwarz-Grün! Der Öko-Konservativismus [2] kommt endlich zu sich selbst. Nachdem eine Hälfte der grünen Bewegung sich zu Beginn der achtziger Jahre, nach einem langen und mühsamen Kampf, zwar nicht nachhaltig aber doch strukturell zunächst sehr erfolgreich von der anderen, der konservativen bis ultra-rechten Hälfte getrennt hatte, führte der lange Marsch durch die Institutionen die Grünen während der nächsten Jahrzehnte, langsam aber sicher, zurück, dahin wo die Ökologie und die Gentrifizierung der Innenstädte von Frankfurt-Bornheim bis zum Prenzlauer Berg ihren eigentlichen Ursprung und ihre Heimstätte haben: in der ländlichen Idylle des Werte-Konservativismus, mit seinem naturgemäß großen und nicht nur dem zunehmendem Alter der Protagonisten geschuldeten, stets größer werdenden Anteil an Strukturkonservativismus. Ökologie muss bewahrend wirken [3] will sie sich selbst ernst nehmen, da sie gezwungen ist auf einen ''Rein-zustand'' des Natürlichen zu rekurrieren, der im besten Falle ein bewusst gedachter Moment des ''Einklangs der Natur mit dem Menschen'' darstellt, im schlechtesten Falle, und leider oft genug, einen irgendwie authentischen Glauben an die reine ''Natur-als-Naturzustand'' zusammenphantasiert. Letztere Geste nimmt mit steigendem (Partei-)Alter, und eventuell auch mit steigender Frustration angesichts der eigenen Lebenskompromisse - 1000 Quadratmeter Eigenheim mit Sonnenkollektoren worunter der Boden verdorrt, oder 150 Quadratmeter sanierte Altbauwohnung in schönster Stadtlage und trotzdem noch Autos, Flugzeuge und vor allem andere Menschen vor der Tür und überm Dach - notwendig immer weiter zu. Grüne Politik war und ist in ihrer Seele konservativ und kommt nun endlich zu sich selbst. Insofern ist es ebenfalls folgerichtig, dass Ökologie in der SPD, und mit Einschränkungen auch in der Linken, nie nachhaltig identitätsstiftend gewirkt haben. Für Sozialdemokratie kann Ökologie nur der Mittel zum Zwecke sein dem Menschen - allen Menschen - zu einem besseren Leben zu verhelfen. Und das geht, angesichts der offensichtlichen ökologischen und sozialen Defizite des Weltzustands, nur mit Hilfe von progressivem und emanzipatorischem Denken. In diesem Sinne, liegt in den sich langsam aber sicher manifestierenden schwarz-grünen Bürgerkoalition, und indem diese ihren eigentlichen öko-konservativen Kern nun endlichen zur Kenntlichkeit herausarbeiten, eine große Chance für SPD und Linke endlich ein substantielles, neues Bündnis auf Basis eines demokratischen, parlamentarischen Sozialismus, nicht nur mittelfristig auszuarbeiten, sondern langfristig auch zum hegemonial-politischen Erfolg zu führen. [1] Wir haben hier schon an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass sich die hegemoniale Verfassung der Baden-Württembergischen Bürger in beiden, CDU wie Grünen Regierungen, wiederfindet, da beider Wählerschichten erstklassige Subjekte pietistischer Ethik darstellen, während SPD und Linke in dieser spezifischen, hegemonialen Situation wohl nie eine Chance haben werden. [2] Koehnen, V.C., Welt als Wille zur ökologischen Vollstreckung, ImJuni, Grüner Biokonservativismus, ifkt.org, 2011. [3] Daher auch der Eppler'sche Versuch in den 1970ern die bewahrenden Aspekte der Ökologie, in einem für Linke irgendwie noch akzeptablen, weil ethisch determinierten, Wertekonservativismus zu fassen, und damit vom klassischen ''strukturellen'' Konservativismus a la CDU abzuspalten. Eine klassisch baden-württembergische, pietistische Lösung das Eigentlichen vom Formalen zu trennen. ------------------------------------------------------------------------------------------Eine kleine Arithmetik der elektronischen Tanzmusik
Über eine Dehnung in der Zeit und die Freuden des entsexualisierten Miteinanders von ImJuni Wer sich regelmäßig mit elektronischer Tanzmusik beschäftigt, oder wer gar regelmäßig einen Club, Partys oder Festivals besucht, bei denen es vorwiegend um das Erlebnis elektronische Tanzmusik, gerne um technoiden Minimal House oder ähnliches geht, und wer dann und wann von Kollegen gefragt wird, was an dem Bumm-Bumm-Bumm-Zeugs eigentlich Musik sei, oder überhaupt: ''spannend'', kennt sicher auch die Erfahrung, dass jeder verzweifelte Versuch, die Begeisterung für diese Form der Popmusik einem gänzlich ''Unerfahrenen'' und Nichteingeweihten zu vermitteln, meist hilflos ins Leere führte. Ganz neu sollte diese Frustrationserfahrung jedem Musikliebhaber jedoch nicht sein. Wir kennen den Effekt noch vom Versuch, unseren Eltern zu erklären, warum AC/DC kein unausstehlicher Lärm ist, Madonna viel korrekter und besser als Kim Wilde, Zimmerman und Sun Ra nicht nur für intellektuelle Angeber und Jazz-Spießer erschwinglich ist und so weiter. Diedrich Diederichsen hat das Problem der bekannteren, klassischen Pop-Geschmacksstreitereien sehr schön in dem Diktum zusammengefasst: ''Wirklich neue Musik erkennt man daran, dass alles gleich klingt''. Woraus man leicht die beste Antwort und einen handfesten Rat ableiten kann für jene Situationen der spontanen Fassungslosigkeit beim ersten Hören von AC/DC, Sun Ra oder auch Madonna: Zeit und Wille! Wer sich mit dieser Musik beschäftigt, sei es Klassik, Pop, oder Avantgarde, für den wird sie sich auf die eine oder andere Art und Weise auf Dauer ausdifferenzieren. Sie wird reich, vielfältig, spannend - ja, auch "Dirty deeds...". Den vollständigen Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------...und warum ''Hegel auf die Füße zu stellen'' heißt den dialektischen Materialismus und die Psychoanalyse zu erfinden
von ImJuni In einem kurzen Passus in der Einleitung zur ''Philosophie des Rechts'' zeigt Hegel noch einmal deutlich die Notwendigkeit auf, das Problem der je immer schon bewußten oder unbewußten, dialektischen Verwobenheit aller Subjekte mit dem was ich in Der Geist der Bewegung den ''Zustand der Situation'', also den Staat, genannt habe, und die gleichzeitige, virulente Zurückweisung dieser Verwobenheit, sowohl auf ökonomisch, materiellen Gebiet, als auch auf dem Gebiet der ''Entzweiung'', der Lücke im Subjekt, detaillierter zu bearbeiten. Marx hat in der Kritik der politischen Ökonomie demnach Hegel eben gerade nicht ''auf die Füße'' gestellt, indem er ihm etwa widersprochen hätte, sondern im Gegenteil genau im Hegelschen Sinne den Auftrag angenommen, diese Frage endlich materiell und ökonomisch konkret durchzuarbeiten. Der Warenfetischismus musste eben die Frage beantworten in welcher Weise der Kapitalismus alle Klassen, nicht nur die Bourgoisie, sittlich-materiell unter seine Wirklichkeit zwingt. Also auch diejenigen, die verstandesgemäß und empirisch seine größten Opfer sind. Freud hat schließlich gezeigt, inwiefern diese Beteiligung aller am ''Zustand der Situation'' nicht nur strukturell-bewußt und materiell, sondern auch individuell unbewußt abläuft. Außerdem haben wir von der Psychoanalyse, ganz im Hegelschen Sinne gelernt, dass die narzistische Behauptung man könne sich ganz vom eigenen Anteil an der herrschenden, symbolischen Ordnung verabschieden, sich von ihr ganz befreien, und das ohne sich selbst und das Bewußtsein für Selbst (Selbstbewußtsein) zu verlieren, nichts weiter als eine pubertäre Geste darstellt, heißt: ein eklatantes Scheitern am erwachsen- und selbstbewußtwerden. Ohne diese Form von nicht-narzistischem Selbstbewußtsein ist jedoch eine nachhaltige und wirksame Kritik an jeder herrschenden, aktuellen Ordnung und ihrem jeweiligen Staatsapparat, sowie schließlich an der Veränderung dessen was alle aussprechen, also der herrschenden, hegemonialen Ordnung - am Staat - nicht zu haben. Den vollständigen Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------...und seiner Beziehung zum Tauschwert - oder eben zum ''Geld''
von ImJuni Wie kann im Kapitalismus allein aus der Ausbeutung von Lohnarbeit Profit entstehen? Das heißt, warum treten alle anderen Formen der Ausbeutung (Sklavenhaltertum, Fronarbeit, etc...) hinter dieser einen Form historisch plötzlich zurück? Dazu gibt dieses Essay zwei Antworten: Erstens, weil der Kapitalismus historisch-ökonomisch diejenige gesellschaftliche Transformationsstufe darstellt in der, aufgrund der fortschreitenden, technischen Entwicklung (Industrialisierung) plötzlich Arbeitskraft und deren Ausbeutung über Lohnarbeit massenhaft zur Verfügung steht. Das heißt, der Kapitalismus istvon Volker Koehnen Auf die Frage, was die wichtigste Forderung des frisch gewählten Abgeordneten im Lübecker Stadtrat von der Partei "Die Partei", Bastian Langbehn, sei, antwortet dieser: "Wir wollen Inhalte überwinden, damit müssen wir langsam mal anfangen" (FR vom 29. Mai 2013). Auf den ersten Blick - der "Moment der Wahrheit" - könnte man dieses Diktum als kritisch verstehen: die ironische Attacke gegen regierungsamtliche Politik à la Merkel im Modus neoliberal-technokratischer "Post-Politik", die als Vollzieherin von "Sachzwängen" die demokratischen Institutionen und Prozesse dergestalt zur Inhaltsleere formalisiert, dass sie für sich in Anspruch nimmt elitär festzulegen, welche politischen Inhalte demokratisch verhandelbar sind und welche nicht. Doch im Namen welcher (Gegen-)Position operiert diese Ironie? Bezieht man diese Frage mit ein, verliert sie schlagartig ihren kritischen Charakter und der "Moment des Falschen" tritt zutage. Noch diese betont sich heiter und satirisch gebende Aussage gemahnt an deren nicht nur anti-politische, sondern auch "psychotische" Struktur, weil sie durch das komplette Fehlen eines politischen Standpunktes (der notwendig inhaltlich und nicht nur rein formal in Form von Satire zu treffen wäre, sich also - wertend - auf ein konkretes politisches Objekt zu beziehen hätte) den auf diese Weise ironisierten Gegenstand (die Politik) vollständig liquidiert. Psychotische Anti-Politik schlägt damit in ihr Gegenteil um: die erhoffte (?) Transformation der Politik verkehrt sich zu deren Abschaffung. Deshalb: die notwendige Bedingung des Subjekts der Satire ist seine Rahmung in Form einer dialektischen Verbindung zum Objekt qua einer Positionsbestimmung; wird dieser Konnex coupiert, besorgt die Satire das Geschäft der Gegen-Aufklärung. Daraus folgt: Schluss mit lustig. ------------------------------------------------------------------------------------------
Über eine Dynamik der Vertreibung. Redebeitrag der SIKS zum Aktionstag ''Wem gehört die Stadt?''
von ImJuni Die Ordnungsgeschichte der Menschheit ist eine Geschichte der Vertreibungen. Und wir sind lange noch nicht in dem Paradies angekommen, in dem Vertreibung nicht mehr möglich ist und nicht mehr möglich sein wird. Auch die Geschichte des Gallus ist eine Geschichte der Vertreibungen. Und indem die Bankentürme, die Hotels und Prachtstraßen des Europaviertels immer näher kommen, wirkt diese Geschichte nun über die letzten Jahre, ästhetisch wie materiell, extrem zugespitzt. Wir dürfen darüber aber nicht vergessen, dass die Geschichte des Gallus - vielleicht mehr als die der meisten anderen Stadtteile in Frankfurt - immer schon eine Geschichte der Vertreibung von der Peripherie in die Stadt war. Die Vertreibung in das Arbeiterviertel der Großindustrie von Adlerwerke, Höchst bis Braun. Es ist die Geschichte derjenigen, die sich in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft hier niedergelassen haben. Die Arbeitsmigranten und Migrantinnen, die das Gallus bis heute so geprägt haben und weiter prägen bis sie jetzt nach und nach aus dieser ihrer heutigen Heimat vertrieben werden. Wohin? Sicher nicht in die schicken neuen Europaviertelwohnungen oder sonst irgendwohin in einer unbezahlbaren Innenstadt. In den letzten Jahren verdichtet sich die Geschichte des Stadtteils auf einmal extrem. Es ist die bekannte Beschleunigung der Stadtteilentwicklung, bei der, in nur kurzer Zeit, auf die Studenten, Künstler und die prekären Scheinselbständigen die Penthouses des Europaviertel folgen. Den vollständigen Redebeitrag der SIKS zum Aktionstag "Wem gehört die Stadt?" gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------Über das schwierige Verhältnis linker Bewegungen zum Staat
von ImJuni Am ''Ende des Kapitalismus'' sind wir in einem ''Zustand der Situation'' in dem die Härten des Überlebens für 99 Prozent der Menschen immer größer werden, und damit das Bedürfnis sich zu wehren, sowie nach Veränderung, notwendiger- und berechtigterweise ebenfalls immer größer wird. Jedoch genau weil der Kapitalismus sich einerseits in einer prekären Lage befindet, andererseits seine ''Produktivkräfte'' global noch nicht ''voll entwickelt'' hat, sind die repressiven Aspekte seiner Wirklichkeit - der Grund unserer Wut - für uns bisher nicht in Gänze kenntlich geworden. So ist also die Wirkmächtigkeit der Verschiebung von der brutalen Disziplin der Feudalgesellschaften zur brutalen Selbstoptimierung der Autonomiegesellschaften, für den größten Teil der leidenden Massen nichts weiter als eine gänzlich abstrakte und unverständliche, also in der Praxis des Alltags scheinbar nicht wirklich präsente Verschiebung vom ''was darf ich tun'' in der Disziplinargesellschaft zum ''besitze ich die Fähigkeit etwas zu tun'' in der kapitalistischen Autonomiegesellschaft. In dieser Situation ergibt sich das Problem, dass überall in diesen vorrevolutionären Zeiten, die Wut und die Rancune gegen den ''Zustand der Situation'' auf überwiegend unbewusste und unreflektierte, und damit oftmals ressentimentgeladene oder esoterische Art und Weise, ausgetragen wird. Und damit bietet wiederum genau jener kapitalistische ''Zustand der Situation'' mannigfaltige Möglichkeiten und Gefahren für einen revolutionären Kampf mit proto-faschistischem, oder proto-totalitärem Einschlag oder gar Ausgang. Nur um letztere Problematik, also nicht um die Frage des ob, sondern um die Frage des wie nicht der Revolte, soll es im Folgenden gehen. Die Sorge um reaktionäre Tendenzen, gerade auch in linken Bewegungen, ist es also, die für mich, im sich zuspitzenden ''Zustand der Situation'', eine Verteidigungsposition bestimmter, bestehender Institutionen, wie zum Beispiel der liberalen, parlamentarischen Demokratie, gegenüber einem um sich greifenden Hang zur volksbewegten Basisdemokratie, motiviert. Denn ''es darf für Linke niemals nur darum gehen eine bessere Welt zu wollen, sie hat auch die Pflicht Entwicklungen zum Schlechteren zu verhindern'' (Tony Judt, ''Nachdenken über das 20. Jahrhundert'', Interview mit Timothy Snyder, Hanser, 2013). Die sich daraus fast zwangsläufig ergebende ''sozial-demokratische'' Position ist deswegen im Lichte der Gefahr einer potentiell reaktionären Revolte zu sehen, während alle wirklichen, emanzipatorischen Alternativen weiterhin ins Auge zu fassen wären, aber zunächst Gegenstand zukünftiger Betrachtungen bleiben müssen. Denn ein Gespenst geht heute um, nicht nur in Europa, sondern weltweit, mit dem sich der berechtigte Hass auf den kapitalistischen ''Zustand der Situation'' im Hass auf ´die liberale, parlamentarische Demokratie, und auf Politik an-sich, also im Bedürfnis nach volksnaher, ''basisdemokratischer'' Unmittelbarkeit, entäußert. Es ist dies der Geist der Bewegung. Von Stuttgart 21 über die Tea Party, bis zu Beppe Grillo's MoVimento 5 zielt der Angriff des physisch und psychisch verletzten Subjekts im kapitalistischen Post-Industriezeitalter, auf die Abschaffung jeglicher, institutioneller Repräsentanz des ''Zustands der Situation'', also zum Beispiel auf den Staatsapparat und seine Repräsentanten (Polizei, Politiker, Gesetze, Parlament, usw.). Gleichzeitig wird wieder der ''Natürlichkeit'', ''Direktheit'' und ''Ehrlichkeit'' von Volkes Stimme gehuldigt, gerne auf den Straßen des öffentlichen Raums, oder in der virtuellen Öffentlichkeit der Blogosphäre. Dabei bedient der Geist dieser, sich oftmals auch emanzipatorisch bis links, nennenden Bewegungen verschiedenster Prägungen, das Ressentiments des ''Wir da unten'' gegen ''Die da Oben'', und lebt damit vor allem seine Frustration an den langwierigen und komplizierten, politischen Diskussions- und Koalitionsprozessen in parlamentarischen Demokratien, aus. Im Zynismus um die doch immer so ''offensichtlichen'' Lösungen der so ''offensichtlichen Probleme'', die aber von einer korrupten Kaste der politischen, wirtschaftlichen und intellektuellen Elite systematisch verhindert oder verwässert werden, lodert die spät-pubertäre, narzisstische Flamme nach den ''radikalen, direkten, und deshalb authentischeren'' Lösungen, und der Ruf nach praktischer, und schneller, identischer Umsetzung eines verständlichen Bedürfnis nach Kompensation für die Härten des ''Zustands der Situation''. Dieser Geist der Bewegung verbindet also das ''basisdemokratische'' Bedürfnis nach Ausdruck im öffentlichen Raum, mit Hilfe des Rufs nach einem neuen, funktionellen bis autoritär-technischen, aber eben ''volksnahen'' Staatsmechanismus, mit der radikalen Reduktion des parlamentarischen Staatsapparats und seiner Kontrollorgane. Damit etwa den Äußerungen und Meinungen der hegemonial wirkmächtigsten Blogger und Wutbürger unmittelbar und effektiv Taten folgen können. Die Rückkehr dieses Geistes der Bewegung ist, dort wo es linke Bewegungen betrifft, einerseits vor allem einem prekären und schwierigen (historischen) Verhältnis gegenüber ''dem Staat'', und dem was man als Linker je in diesen imaginiert, geschuldet. Andererseits einer klassischen Top-Down Definition von Faschismus als dem Ergebnis eines mit Hilfe des Staates und seiner Organe organisierten Widerstands aristokratischer und konservativer Staatsapparatskräfte gegenüber den basisdemokratischen Kräften und dem Willen des Volkes. Das Essay ''Die Linke und der Staat'' diskutiert die Entstehung und den Hintergrund dieser beiden Wirklichkeitsinterpretationen, sowie die ihnen zugrunde liegenden Missverständnisse, und zeigt wie sich durch sie auch in linken Bewegungen die Neigung zu proto-autoritärer, und narzisstischer Bewegungskultur in Zukunft leicht wieder erneuern könnte. Eine gekürzte Version des Essays gibt es hier. Die vollständige Fassung des Essays ''Die Linke und der Staat'' (mit Inhaltsverzeichnis) gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------Und dann hat er gesagt: ''Hört auf zu labern''. Und dann hab ich gesagt: ''Genau!''.
von ImJuni In der popkulturellen Berichterstattung nervt ein Genre, das seit jeher im pop-journalistischen Diskurs einigermaßen langweilig daher kam, mittlerweile so dermaßen, dass ich es mit den folgenden Zeilen endgültig für erledigt erklären möchte: das Interview. Den Grund für die nervige Omipräsenz des Interviews und seiner mannigfaltigen Unterarten kann man sich schnell klar machen. Mit keinem anderen journalistischen Stil- und Produktionsmittel ist der Fluch des Authentischen, der auf der Popkultur lastet wie Tristans Dreiklang auf Wagners Schwanz, billiger zu haben, als mit der gänsefüßchenfreien, abgetippten ersten Rede. Wie noch die selbstausgebeutetsten Musikjournallienschreiber aus der S-bahn wissen ist nichts so very real und unglaublich glaubwürdig authentisch wie: ''Du, dann hab ich gesagt... und dann hat sie gesagt, ...darauf hab ich ihr wieder gesagt... dann hat sie ...'' und so weiter etc. pp. Das ganze Pamphlet gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------von Bert Bresgen Laurel & Hardy meet for the first time in the history of cinema. Das ideale Paar hat sich hier noch nicht "erkannt". Es wird gestört durch verwirrende Geldübergaben und einen kleinen Hund, den man nicht los wird. Später, nachdem sich Laurel & Hardy gefunden haben wie H & M, werden die Rollen der Störer hysterische Glamourgirls, nörgelnde Ehefrauen und untransportierbare Klaviere übernehmen. Laurel ist das, was Hardy fehlt und umgekehrt. Tückische Frauen und tückische Objekte tun auch später so, als würden sie das Zusammenkommen des idealen Paares Laurel & Hardy permanent verhindern, tatsächlich aber konstituieren sie es erst als das, was es ist: das ideale Paar ist eben das, was sich nie GANZ findet. Den ganzen Beitrag von Bert Bresgens - zuerst erschienen in der Frankfurter Gemeinen Zeitung - gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------
Über die Dialektik von symbolischer Ordnung und Liebe: eine Hermeneutik von Genesis I-IV,1
Teil 1
von ImJuni Wenn wir uns fragen warum wir nach mehr als 5000 Jahren gesprochener und schließlich geschriebener Beschreibung der Dinge der Welt, immer noch nicht fertig sind mit selbst den scheinbar einfachsten Vorstellungen von ''der Wirklichkeit'' die unser Leben prägt -- also zum Beispiel mit Hilfe von Begriffen wie, gut, schön, schlecht, richtig, falsch, Gesetz, Verbot, oder gar Liebe -- so liegt es nahe, dass dies wohl mit einem grundsätzlichen Problem zu tun haben mag, das so grundsätzlich ist, dass die Menschen es schon vor 5000 Jahren als essentiell für ihre eigene, bewusste Wirklichkeit gesehen haben. Warum war nun, so könnte man fragen, in dieser sehr alten Erzählung von genau diesem sehr alten ''Impasse'', das erste Wort das Gott an den neuen Menschen in seiner neuen Natur richtete ausgerechnet ein Verbot, ein Gesetz? Hätte er nicht zunächst einfach nur mal ''guten Tag'' sagen können? Den 1. Teil des Essays ''Das Trostpflaster Gottes'' gibt es nun hier. ------------------------------------------------------------------------------------------und über die unterschiedlichen Möglichkeiten von linker Theorie und Praxis
von Volker Koehnen und ImJuni im September 2012 Diese Webseite soll eine Plattform bieten für die linke Diskussion um alternative Strategien, Handlungsrationalitäten und Philosophien. Dazu werden auf dieser Seite Texte veröffentlicht, die wir über die Jahre angesammelt haben und weiter ansammeln werden. Wir glauben, dass gerade durch eine kritische Auseinandersetzung mit der wichtigen Rolle die linke Gegenbewegungen, Theorien, Parolen, Mythen, Strategien, Emanzipationen und Aktionen im weltweiten Bürgerkrieg (Roussau) immer schon zugewiesen wurde, durchaus eine Chance besteht - und tatsächlich immer schon bestand und manchmal auch genützt wurde - Wirklichkeit zu verändern. Den vollständigen Text zu IFKT.org gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------David Graebers ''Schulden-Buch'' und die Frage der Affirmation im Spätkapitalismus
von Volker Koehnen Was wäre angesichts der allgegenwärtigen Krise des Kapitalismus, die aktuell massenhafte Pauperisierung, ökonomischen Niedergang und glatte Zerstörug demokratischer Strukturen provoziert, selbstverständlicher, augenscheinlicher und politisch ''opportuner'' als der massenhafte Protest dagegen? Wir erleben seit einiger Zeit die Heraufkunft von neuen Figuren antikapitalistischer Kritik, wie zum Beispiel die Occupy-Bewegung. Einer der ersten Aktivisten der Bewegung von ''Occupy Wall Street'', die genau jenen Zusammenhang zum Thema ihres Protestes macht, und mithin ihr nun selbsternannter ''Chefideologe'' heißt David Graeber. Ihm kann man - aus linker Perspektive - einige Vorwürfe machen, was auch Thema dieses Artikels sein wird (siehe unten), einen aber nicht, wie neulich ein Journalist, der ihn traf, pikiert feststellte: dass er etwa im Frankfurter Hof logiere und eine Ray Ban-Brille trüge - als ob Kapitalismuskritik sich in Jute kleiden und auf Bäumen leben müsse. Da scheint eher ein bürgerliches Authentizitäts- und Askese-Phantasma angesprochen zu sein, dass zu jeder Entpolitisierung taugt. Viel entscheidender ist, welche politisch-theoretische Position Graeber bezüglich des Kapitalismus, seiner aktuellen Krise und seiner Kritik einnimmt. Denn die notwendige politische Praxis auf der Straße ist die eine, die theoretische Durchdringung dessen, wogegen man sich wendet, leider oftmals eine andere Sache. Das vollständige Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------Fundamentalistisches aus der Tourismusforschung
von Volker Koehnen Neulich strahlte der Sender des Bildungsbürgers, arte, eine Dokumentation über Kreuzfahrten und deren tourismuswissenschaftliche Betrachtung aus. Dort kam ein englischer Soziologe zu Wort, dessen Forschungsgebiet Kreuzfahrtreisen sind. Als Kommentar zu der üblichen Praxis bei Kreuzfahrten, an kleineren Inseln morgens anzulegen, um die Touris loszulassen und diese Abends wieder aufzunehmen und weiter zu fahren, und zu den damit verbundenen Zumutungen für die Einheimischen bzw. Umweltverschmutzungen, die das ''ursprüngliche Gesicht'' dieser Inseln gewaltsam verändere, meinte der Soziologe sinngemäß: ''So etwas bezeichnen wir als Menschenverschmutzung''. Lies: die Verschmutzung eines kleinen idyllischen und unberührten Eilands durch den bösen Menschen. Weit entfernt davon, hier etwa Kreuzfahrten und/oder die tumben Touri-Massen verteidigen zu wollen: wer so nicht nur denkt und spricht, sondern auch forscht, ist hoch ideologisiert und menschenfeindlich. Wenn ''der Mensch'' per se als Verschmutzung wahrgenommen und konzeptualisiert wird, ist der Schritt nicht weit, ihn als ''Ungeziefer'' zu deuten. Und wer eine zuförderst menschengemachte und kulturalisierte Insel (Infrastruktur, Häuser, Gastronomie, Gärten, Werte, Normen, Atmossphäre usw.) als ''Natur'' idealisiert bzw. entkulturalisiert und ihn fundamentalistisch in Stellung gegen die Natur bringt, ist ein Faschoökologe - er setzt willkürlich einen Punkt Null, ab dem das Verdammenswerte dann auch verdammt werden kann. Angesichts dieser weiteren Episode aus dem Hause ''Biokonservativismus'' muss man wieder einmal darauf bestehen: wir brauchen eine Ökologie ohne einen essentialistischen Naturbegriff; eine symbolische Erzählung/Deutung dessen, was uns umgibt als soziales und politisches Konzept ohne mythologische, göttliche oder biologistische Aufladung. ''Menschenverschmutzung'' ist hier gemeint im ''genetivus objectivus'' (Die Verschmutzung durch den Menschen als Mensch). Es gibt diesen Begriff im ökopostmodernen Diskurs aber auch in der Gegenbewegung, als ''genetivus subjectivus'', als Verschmutzung des Menschen - dieser thematisiert keine Kreuzfahrten, wohl aber zum Beispiel die scheinbare ''Verschmutzung'' der Kinder in den und durch die staatlichen Schulen. Dazu gibt es viele Websites, die zumeist von Gruppierungen betrieben werden, die ihre Kinder ''frei'', d.h. zu hause erziehen bzw. bilden, und also ihre wahnhaften Projektionen gegenüber der Schule an sich ausagieren. Und die Moral von der Geschicht? Die Hysterie gegenüber jedweden Formen von Verschmutzung ist das Symptom (und Rückseite) eines Wahns der ''Reinheit'', der hier prozessiert wird - je nach Phantasma entweder die Reinheit ''des Menschen'' oder die ''der Natur''. Besser könnte man die postmodern-narzisstische Ökonomie der Beschmutzungsvermeidung nicht beschreiben. Sie ist das ultimative Kennzeichen für eine Kultur, die sich selbst negiert und zur ''Natur'' regredieren will; mithin ist sie ein Zeichen für privatistisches Genießen auf Kosten eines öffentlich-politischen Begehrens, das sich etwa in der politischen Kritik eines den Menschen verdummenden Massentourismus oder in der emanzipatorischen Zurückweisung der Schule als ''ideologischer Staatsapparat'', der die Menschen kapitalistisch formt, inszenieren würde. Das Begehren ist nie ultimativ, selten puristisch, operiert aber immer auf der politischen Ebene der Kultur. Das Genießen dagegen phantasiert sich zumeist eine öbszöne Szene der ''Ursprünglichkeit'', die es fundamentalistisch zu bewahren gelte. ------------------------------------------------------------------------------------------Es west etwas in der Ökobewegung von Hamburg bis Stuttgart
von ImJuni In Michelbach an der Bilz, Teil der Vorstadt eines finanz- und kapitalkräftigen, baden-württembergischen Zentrums, schaffte es das öko-religiös inspirierte Bildungsbürgertum, zusammen mit der trendaffinen ''ein Haus, zwei Autos, ein Kind''-Burgoisie, innerhalb weniger Jahre 50% aller Hausdächer, unter großem finanziellen Aufwand, mit Solarpanels und Wärmetauscher zu versehen. Die Vehemenz mit der ein ansonsten extrem renditebewusstes, und mit seinem enormen Platzbedarf, durch Garten, Doppelgarage und Winterpavillon, extrem ressourcenbelastendes Klientel, hier zu Werke geht, ist bemerkenswert. Es kann es sich jedoch leisten, auch wegen erheblicher Subventionen, signifikante finanzielle Investitionen, durch eine langfristige Finanzplanung gewinnbringend zu kompensieren, oder eventuell gar abzuschreiben. Mittlerweile wird in ganz Baden-Württemberg aus Mangel an verfügbaren Dächern in Solargroßprojekte investiert, die nicht selten Gebiete zupflastern, die zuvor noch mit Zähnen und Klauen vor dem Zugriff der Landwirtschaft, oder dem Großkapital verteidigt worden wären. So wird die Grundlage gelegt für auch politisch relevante Eigentumsverhältnis an den zukünftig dezentral organisierten, alternativen Energienetzstrukturen, vom Blockheizkraftwerk bis zum Windpark, durch eine neue Klasse der Energie-Bourgeoisie, die im kommenden, öko-ökonomischen Zeitalter eine Rolle zu spielen hat. Genau wie der Erfolg in der privaten Arbeit im Protestantismus auch als spiritueller Erfolg auf dem Weg zu jenseitiger Gottgefälligkeit zweitverwertet werden kann, genau so wird nun, und auf den gleichen, gottgefälligen kapitalistischen Grundlagen, eine spirituelle Verbindung hergestellt, zwischen dem öko-ökonomischen Erfolg des privaten Solaranlagenkleinunternehmers und dem Wohlgefühl des mütterlichen Sorgens und Bewahrens der Bedürfnisse der einen Natur. Ruhe, saubere Luft und blühende Blumenbeete rund um das wohlgesicherte 300 m2 Anwesen sind der wohlverdiente Lohn dieser Arbeit. Die auf der Rückseite des gleichen Kapitalismus ständig weiterproduzierten Widersprüche, der Lärm und Gestank, und das Chaos an den Rändern der Gesellschaft müssen draußen bleiben. Das vollständige Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------Notiz zu einem metropolistischen Phänomen
von Volker Koehnen Er begegnet uns - darin ähnlich der Loriot’schen Steinlaus oder dem Kapital als scheues Reh - dort, wo wir ihn sehen wollen: der Hipster. Bärtig, horn-bebrillt, schlankbeinig und föngewellt stakst er über heißen Asphalt, die Vibration auf Kopfhöhe überernst nehmend; diejenige von unten oder den Seiten ignorierend. Sein Gang ist hie schwebend, dort tänzelnd, jedoch immer aufrecht; sein Blick geht durch das hindurch, was ihm uninteressant erscheint. Ganz auf sich bezogen, aus sich gezogen und gesogen, bereitet der Hipster (sich) ein Terrain, das unbegehbar scheint für solche, die anfassen, rütteln, berühren wollen. Zu seiner zelebrierten Undeutlichkeit, Nicht-Selektierbarkeit im Politischen oder Geschlechtlichen - bei gleichzeitiger Überidentifikation mit dem Kulturell-Modischen, was im Kapitalismus gut zusammengeht - paßt seine Nicht-Greifbarkeit im Philosophischen: Der Hipster - ist er nun Form oder Inhalt? Ist er dem Allgemeinen zuzuordnen oder dem Besonderen? Zunächst ist er, das fällt auf, ganz Form ohne Inhalt. Sein Life-Style und Self-Design steht für sich, scheint reiner Selbstzweck. Kein Anklang, keine Insinuation, keine Andeutung auf Politisches oder gar eine emanzipatorische Position ergibt sich aus dem Dress-Code - diese Verbindung zwischen Subjekt und seinem Code war zuletzt in dieser Stringenz den Hippies vorbehalten. Soweit das Wehklagen derjenigen, die sich für links halten ("Der ist doch nur schön - ohne politische Position!"). Und sie haben damit ja auch recht: der Hipster steht als Model-Ikone für keine spezifische Politik, für kein soziales Begehren. Allerdings, liebe Leute. Ist der Hipster nicht gerade deswegen - gleichsam durch die dialektische Hintertür - politisch in einem sehr speziellen Sinne, indem er dem Terror des postmodernen Kapitalismus mit seiner Ökonomie des beständigen Zwangs zur (auch: politischen) Identitäts(er)findung dadurch ein Schnippchen schlägt, dass er sich der reinen, abstrakten und puren Form verschreibt und den konkreten politischen Inhalt verwirft? Dies wäre - frei nach Hegel, Lacan und Zizek - dann die aus emanzipatorischer Sicht regelmäßig zu exerzierende Übung des Subjekts, sich aus dem organisch-heimeligen Netz der konkret gegebenen symbolischen Ordnung der Lebenswelt scheinbar festegfügter Entitäten ein Stück weit heraus zu katapultieren, indem es rücksichtslos Partei für das abstrakte Allgemeine, für die pure Form, kurz: für seine eigene strukturelle Bedingung - ergreift, die dem - wahlweise als selbstverständlich, natürlich oder als gottgegeben angesehenen -Ganzen seine Macht nehmen hilft? Indem es die Signifikanten zum Tanzen bringt und zur Neugruppierung drängt? Subjektivität ist nicht das Genießen einer "vollen Fülle" lückenloser (politischer) Identität, die sich etwa im modischen Style ausdrückte - vielmehr ist sie eine Haltung, gleichsam ein "seelischer Style", dem die politische Entkopplung von organischen Ganzheiten und Identitäten im Begehren ein Anliegen ist. Wer sich also den Hipster genauer beschaut (und es lohnt sich oft, schon allein aus ästhetischen Gründen), der muss konzedieren, dass gerade in der vermeintlichen Inhaltslosigkeit bei voller Formfülle das emanzipatorische Politische seinen Sitz haben könnte: die Form als konstitutive Bedingung des Inhalts (und umgekehrt). Dieses Exerzitium wäre dann notwendig anderes als postmoderne Beliebigkeit oder Faschismus. Während diese die Konkretion und Identität überhaupt als "Herrschaftsdiskurs per se" psychotisch verwirft und sich damit ins Zentrum des nie-konkreten, rein Abstrakten hinausdenkt (was natürlich niemals funktionieren kann, weil das Abstrakte nur in "Form" des Konkreten zu haben ist et vice versa), feiert umgekehrt jener (der Faschist) jedes essentialistische Identitär-Konkrete in der Geste der Verwerfung des symbolischen Abstrakten. Der emanzipatorische Linke dagegen, der sich sowohl seiner abstrakten Symbolität als auch der Notwendigkeit zur politischen Konkretion bewußt ist, geht strategisch vor: da, wo das Konkretistische vorherrscht, ergreift er Partei für die "sinnlose" Form. Und dort, wo das abstrakte Nirwana herrschen soll, pocht er auf Konkretion und politische "Erfüllung". Wenn der Hipster also jene Dialektik erkannt haben sollte, dann sollte er als genuin politisches Wesen angesehen werden, dann reichert sich seine ästhetische Attraktivität mit politischer Position an - egal, ob das nun dem konkreten Hipster bewußt ist oder nicht. ------------------------------------------------------------------------------------------Zum Unterschied zwischen der Ablehnung eines konkreten (politisch) und des allgemeinen (narzisstisch) Prinzips symbolischer Ordnung.
von ImJuni Der Narzissmus ist ein Phänomen der Pubertät, das notwendig, und im günstigsten Falle zeitlich begrenzt, einen Beitrag zur Reflektion über die essentielle Uneindeutigkeit des Selbst leistet, nie ganz verschwindet, sich aber oftmals schließlich wohlwollend der Herrschaft des Symbolischen (im Gegensatz zur Herrschaft der Dinge) unterordnet. Im ungünstigeren Falle mündet Narzissmus jedoch, als Frustrationsaffekt, in einer radikalen Ablehnung des Menschlichen an-sich. Was ist also Narzissmus? Narzissmus ist, wenn die symbolische Ordnung sowohl als menschlich-historische Kreation, als auch als "erdachte", moralische Autorität zurückgewiesen wird. Narzissmus ist die Ablehnung jeglicher von Menschen (und nicht von der Natur oder Gott) erdachten (symbolischen) Ordnungen per se, seien sie nun von kapitalistischer, sozialistischer, oder feudalistischer Art. Eine symbolische Ordnung ist das Ergebnis des menschlichen Mangels einer Möglichkeit der Ableitung von Gesetz und Moral aus der unmittelbaren Erfahrung mit den Objekten seiner Umgebung. Sie ist genau deswegen aus Sprache, also den Gesetzen, gebaut. Unsere symbolische Ordnungen sind damit Ausdruck und Ergebnis eines Mangels an Unmittelbarkeit, einerseits des Subjekts mit seiner Umwelt (Kant), der ersten Natur, andererseits mit sich selbst, also der zuerst durch Hegel proklamierten, essentiellen, sogenannten "Lücke im Subjekt", die verhindert, dass wir uns jemals selbst eineindeutig verstehen können. Diese "Lücke im Subjekt" steht auch der Möglichkeit jeder "wahren, guten und echten" Moral dank eines Subjekts, das zu unzweideutiger Selbsterkenntnis (Kant) fähig wäre, logisch im Wege. Seit Kopernikus ist die Menschheit also nicht mehr das Zentrum des Universums, seit Kant leben die Subjekte dieser Menschheit für immer vom Zugang zur eigentlichen Natur dieses Universums getrennt, und seit Hegel und Freud sind nun auch, dank dieser "Lücke", die Ichs dieser Subjekte nicht mehr Herr im eigenen Haus. Die Not des Narzissten, die sich im Bedürfnis nach Abschaffung jeglicher, symbolischer Ordnungen ausdrückt (die Not des Zynikers), ist nun das schmerzliche Gewahr werden dieser phänomenologischen Uneindeutigkeit des Selbst und ihrer Verdrängung. Sie ist die Frustration über die Unmöglichkeit einer befriedigenden Antwort auf die Frage "Wer bin ich?" und "Was ist?". Sich eine Phänomenologie dieser Lücke und dieses Schmerzes zu erarbeiten, eine Phänomenologie des Unbewussten, ist wiederum, aufbauend auf Hegel, Grundlage der Theorie der Psychoanalyse, der hegelschen "Nacht der Welt", in der die Ganzheit der Dinge, durch die Kraft des menschlichen Verstandes, in träumerische Partialobjekte zerlegt wird. Diese werden dann und erst in zweiter Instanz, durch (kantsche) Vernunft, gewalttätig und nur mit Hilfe der Sprache einer herrschenden, symbolischen Ordnung, zu einer begrifflichen Einheit, einer "zweiten Natur" des Menschen, zusammengesetzt. Eine konkrete (praktisch, erfahrbare) symbolische Ordnung (Sklavenhaltergesellschaft, Aristokratie, Lohnarbeitsgesellschaft) durch eine andere, konkrete, symbolische Ordnung, und sei sie nur vorgestellt, ersetzen zu wollen - zum Beispiel mit Hilfe der Propaganda einer bezüglich der herrschenden Ordnung nicht kompatiblen, moralischen Neubesetzung von bestehenden Begrifflichkeiten, wie Freiheit (heute: Neoliberalismus), Gleichheit (heute: Menschenrechte und Biologismus) und Gerechtigkeit (heute: Naturwissenschaft) - ist demgegenüber eine gänzlich un-narzisstische, erwachsene, und vor allem, politische, Geste. ------------------------------------------------------------------------------------------Eine Veranstaltung der SIKS, am 5. April 2012, 21:00 Uhr
mit dem Autor Hans Kundnani In seinem Buch "Utopia & Auschwitz" wirft Hans Kundnani. die Frage auf, warum sich Teile der deutschen Linken vom Antifaschismus über den Antiimperialismus zu teilweise dezidierten Antisemiten entwickelten. Während andere, wie Joschka Fischer, im Schock dieser Erkenntnis zu konsensorientierten Machtpolitikern des bundesrepublikanischen Systems wurden. Das alles entfaltet der Autor an Berliner und Frankfurter Schauplätzen. Ein Diskussionsabend mit Hans Kundnani, Autor und Journalist, lebt in London. Er arbeitet für den European Council of Foreign Relations (ecfr.eu) und war Auslandskorrespondent für den Observer in Berlin. Magnus Klaue (Jungle World) Juergen Roth (u.a. konkret) Moderation: Rüdiger Lang (ifkt.org , SIKS) An den decks: Paul Morgan Und hier gibt es den Livemitschnitt des Abends: Utopia or Auschwitz Podium. ------------------------------------------------------------------------------------------Über Positivismus und Depression in Lars von Trier's Melancholia
von ImJuni Positivismus und Depression sind zwei Seiten der gleichen Medaille, eines Exzess des Über-Ichs der schließlich in einer Entfremdung vom Selbst (Ich) resultiert. Entweder indem sie alles erdrücken, was das Ich als Selbständigkeit verlangt und deswegen zu einem inneren Deadlock, einem Impasse des Verlangens führen, der, wie im Falle der Depression, durch die ständigen Verbote (der Askese oder des Gesetzes) nicht mehr aus sich herauskommt. Oder indem sie einer Mystifizierung des Über-Ichs, als großem Anderen das Wort reden, mit Hilfe dessen harter Geste des väterlichen Gesetzes, die zuweilen erdrückenden Anwürfe des Es vor dem Ich in Schach gehalten werden sollen. Indem Justine und Claire's Mann jeweils narzisstisch an ihren esoterischen oder transzendenten Über-Ichs hängen, liegt auf Claire die ganze Last dem ''Prinzip Hoffnung'', der zweifelnden Hoffnung des Ichs auf sich selbst als Selbst, Ausdruck zu geben. Das vollständige Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------Eine Vorrede zum Essay "Vom Ende des Kapitalismus zur Expertendiktatur".
von ImJuni Die Aufgabe, die sich Marx im ersten Band des Kapitals gestellt hat, ist die zu zeigen, dass das kapitalistische Prinzip des Wirtschaftens einerseits nach seiner heute längst erreichten, systemischen Totalität strebt: der Angleichung aller Werte an das global immer gleich verhandelte, anti-feudalistische Prinzip, des allgemeingültigen Tauschwerts pro (gleichem) Produkt. Andererseits zeigt Marx (und hier setzt er Hegel in die Praxis um), dass sich diese globale "Expansion" eines allgemeingültigen Gesetzes notwendig und aufgrund der inneren Dialektik der durch den Kapitalismus gesetzten Begriffe und Vorstellung von Welt, das heißt wegen dessen inneren Widersprüchen, schließlich selbst dekonstruiert. Genau wie die aristokratische Konkurrenzsituation um die politische Macht mit dem Ausspielen der kopernikanischen Karte schließlich zu ihrer Selbstdekonstruktion geführt hat, so wird auch die kapitalistische Konkurrenzsituation, über das Ausspielen der gleichen technologischen Karte (der Rationalisierungsprozesse zur Erzeugung von relativem Mehrwert und dadurch einem, wenn auch nur mittel- bis kurzfristigen, relativen Vorsprung am Markt) und den dadurch kontinuierlich fallenden Profitraten, schließlich ebenfalls zur Selbstdekonstruktion des Kapitalismus führen. Das vollständige Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------Eine Typologie des Anderen
von Volker Koehnen Seit mittlerweile Jahrhunderten gruppiert sich das Wollen der politischen Linken um das Zauberwort der politischen Veränderung bzw. Umwälzung. Gemeint ist dabei traditionell die Veränderung bzw. Überwindung des Kapitalismus, aus dem heraus die politische Linke ja überhaupt erst enstehen konnte. Je nach Radikalität des politischen Programms und der eigenen (linken) politischen Position plädierte man - grob vereinfacht - entweder für Reform (sozialdemokratisch-sozialistisch) oder für Revolution (leninistisch-kommunistisch). Seither gibt es eine nicht überschaubare Fülle an verschiedensten programmatisch-praktischen Konkretisierungen, Ausformungen und Einfärbungen dieser Positionen; der inhaltliche Flickenteppich ist so riesig, dass man sich schwer tut, überhaupt und über die genannte Dichotomie hinaus von einem einigermaßen konkret benennbaren "linken Projekt" zu sprechen. Kein Wunder, dass die Kämpfe innerhalb der linken Bewegung - nicht nur geschichtlich - allgegenwärtig sind und ab und an ins Sektiererische hineinragen. Das vollständige Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------Ein Meta-Diskurs zur Debatte
von Rüdiger Lang "Klimakritiker" ist ein lustiger Begriff. Er klingt ein bisschen wie morgens-wird’s-hell-und-abends-wird’s-dunkel-Kritiker. Eine Auseinandersetzung über die Frage welche Möglichkeiten eine kritische Linke sieht in die Debatte einzugreifen, sie vielleicht sogar mitzugestalten, ist in der Tat längst überfällig. Als Atmosphärenforscher sieht und hört man es natürlich gerne wenn das liebste Kind sich mittlerweile solch großer medialer Aufmerksamkeit erfreut. Fast ist man geneigt zu sagen, dass das Thema spätestens seit der Verleihung des Friedensnobelpreis an Al Gore schon ein bisschen durch ist, weswegen heute der "Klimakritiker" gerne herangezogen wird um irgendwie nochmal für Spannung zu sorgen. Nun ist es nicht überraschend und beinahe erfreulich, dass auch die Klimadebatte ganz einfach und ohne zu maulen den Regeln aller Popkultur folgt. Trotzdem muss es einem auffallen, dass nicht nur der popkulturelle Mainstream sondern auch die sub-, oder meta-kulturelle Linke zwei eklatanten Missverständnissen erliegt, wenn es um die Auseinandersetzung mit dem Thema Klimawandel und vor allem die Protagonisten der Debatte, die Wissenschaftler selbst, geht. Zum einen ist da das Missverständnis es könne so etwas wie den moralisch handelnden Naturwissenschaftler geben. Zum anderen lauert hinter vielen Antworten des ökologisch geschulten Bewusstsein auf die Krise ein meiner Meinung nach seit jeher extrem übersteigertes, obsessives, linkes Verhältnis zu dem was man gemeinhin als "die Natur" bezeichnet. Das vollständige Essay von November 2007 gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------10 years after 09/11
von David Remnick, New Yorker, September 12, 2011 "For all the recent moments of promise, this tenth anniversary is a marker, not an end. It is a time to commemorate, consider, and reconsider. A decade later, we pay tribute to the resilience of ordinary people in the face of appalling destruction. We remember the dead and, with them, the survivors, the firemen and the police, the nurses and the doctors and the spontaneous, instinctive volunteers, the myriad acts of courage and kindness. A decade later, we also continue to reckon not only with the violence that bin Laden inflicted but with the follies, the misjudgments, and the violence that, directly or indirectly, he provoked "the acts of government deception", "illegal domestic surveillance", "extraordinary rendition", "enhanced interrogation", "waterboarding". The publication of Dick Cheney’s memoirs is the latest instance of Bush Administration veterans serenely insisting that they "got it right", that the explosion of popular discontent that began in Tunisia last December and spread through the region is the direct result of the American-led invasion and the occupation of Iraq. This is as dubious as it is self-serving. In fact, the Arab Spring was not inspired by the wondrous vision of post-Saddam Iraq. Nor was it the result of Western actions or manipulations; its credibility depended upon the fact that it was unambiguously indigenous and self-propelled." Read more at the NewYorker ------------------------------------------------------------------------------------------Über die realen geo-politischen Grenzen kapitalistischer Abstraktion
von SIKS Yahye ist noch nicht 13, als er vor der Rekrutierungsbehörde der somalischen Armee flüchtet. Seine Tante bezahlt einen Schlepper, der ihn bis nach Russland bringt. Dort wird er in einen Lastwagen nach Holland gesetzt, doch seine Reise endet in Polen, wo er Asyl beantragt. Yahye ist ein Ausnahmetalent als Songwriter und Rapper/Sänger. Rasch beginnt er ein Netzwerk aufzubauen und Produzenten werden auf ihn aufmerksam. So gerät er ins Visier einer Rechten Szene. Nazis bedrohen ihn und legen ihm Nahe, "keine Black-Music in Polen" zu verbreiten. Als Yahye sich hilfesuchend an seine Produzenten wendet, distanzieren diese sich von ihm. Er fühlt sich nicht mehr sicher und flieht nach Deutschland, muss all seine Musik, seine Arbeit und Habe dort zurücklassen. Die ganze Geschichte zu Yahye und was er uns bedeutet findet ihr hier, zum ausdrucken und zum Unterschriften sammeln. Wer Yahye und seinen Kampf um ein menschenwürdiges Leben in Deutschland unterstützen will sendet die gesammelten Unterschriften bitte an folgende Adresse: SIKSWas könnte uns "Oslo" über den Anderen erzählen?
von Phantasmo Der Terroranschlag des "christlichen" Fundamentalisten Anders Behring Breivik in Oslo sollte uns die Augen geöffnet haben für die Signifikanz der Hegel’schen Wendung, wonach das Böse stets im Auge des das Böse erblickenden liegt. Das Böse als anwesende imaginäre Vorstellung, die die Angst erzeugt und zugleich bewältigen soll, ist eine Maske der klaffenden Lücke in unserem Selbst, die uns in unserer Existenz prägend durchzieht, es ist der Rest der uns immer und überall begegnet und herausfordert. Die Lücke als Mangel, den wir zu überwinden trachten, ohne dies je zu können. Dieses Trachten aber, das uns gemeinsam mit dem ihm zugrundeliegenden Mangel stest begleitet, gehört auch untrennbar zur conditio humana - das Begehren. In der Bewältigung unserer Welt begehren wir. Und wir sind "Symbol-Kolonialisten": wir unterliegen dem Zwang, noch dem Nicht-Symbolisierten Sinn und Bedeutung geben zu müssen. So verhält es sich auch mit dem Bösen. Wir begehren das Böse. Das hat der Oslo-Attentäter mit uns gemeinsam: er begehrt das Böse. Auch er hat das Phantasma eines Feindes entworfen, das sein Begehren organisieren half. Doch es gibt einen Unterschied. Der Attentäter trifft seine Opfer, indem er sie trifft. Der Terrorist begehrt das Böse so sehr, dass er in ihm aufgehen will, in es eindringen möchte; eine Art Bewegung der Rückkehr in den Mutterschoß. Doch wenn die gehaltene Distanz zum Objekt das Begehren kennzeichnet, dann hat der Attentäter nicht wirklich begehrt, vielmehr hat er pathologisch genossen. Diese distanzlose Form des Genießens des (re)konstruierten Feindes, diese Nähe im Moment des Bombenanschlags ist ein wesentliches Kriterium des politischen Terrorismus. Und hier liegt die spezifische Psychodynamik des Terroristen begründet. Es ist zugleich die politische Psychodynamik der Angst, die ein feindliches Außen als Kollektiv phantasiert, in der unbewußten Hoffnung, die Angst vor der Lücke im Selbst im gewalttätigen Exzess erledigen zu können. Das vollständige Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------Wie die Immerverarschten von Amsterdam bis Oslo den Aufstand proben.
von ImJuni Von Amsterdam Oost, über Tucson Arizona, bis Oslo/Utoya, die spektakulären Exzesse Einzelner sind nur die Symptome eines Eisbergs aus Hass der Immerverarschten auf die symbolische Ordnung - gegen das Politische, und für das Bedürfnis die Leiden unter dem symbolischen und ökonomischen Entzugssystem des Kapitalismus in ein vermeintlich authentisches Sein gegen "die da Oben" oder "die da Drüben" umzumünzen. Die narzisstische "Tea Party"-Rancune gegen Ersatzobjekte wie Islamisten, Ausländer, Polizei, Staat und PolitikerInnen ist weit davon entfernt ein nordamerikanisches Problem zu sein. Sie ist nur das spektakuläre Ergebnis kapitalistischer Macht- und Diskursstrukturen den kapitalistischen Exzess des "Mehrgenießens" durch "Mehrwert" mit neuen, "unerwarteten" Tauschobjekten, mit ihrem jeweils eigenen und natürlich globalisierten Tauschwert, zu füttern. Die Masse der Tea-Party-Anhänger, genau wie die Masse der niederländischen und der norwegischen Bevölkerungen, deren durch den Kapitalismus erzeugten Mangelerscheinungen im Exzess Einzelner kulminieren, kompensieren mittlerweile ihren Verlust am Mehrgenießen des bisher vorherrschenden Angebotsmix aus Autos, Pornos, Wissen oder Esoterik, mit dessen Erweiterung durch Vorurteile und Ressentiments, da der Mehrwert des bisherigen Angebots durch Überproduktion und "Verbilligung", ganz nach Logik des Systems, im Schwinden begriffen ist. Dieser Verlust an Wertgenuss muss nun durch die Aufwertung alternativer Fetische aufgehalten werden. Man kommt deshalb nicht umhin festzustellen, dass mit dieser Entwicklung der Beginn dieses Jahrhunderts doch schon sehr dem Beginn des letzten ähnelt. Das Problem des Kapitalismus ist es nun, dass er zumindest für die Immerverarschten immer weniger klassisch produzierte Ware anzubieten hat, die in der Lage ist für den Kapitalisten signifikanten Mehrwert und für den Konsumenten dadurch signifikanten "Mehrgenuss" zu erzeugen (siehe Vom Ende des Kapitalismus zur Expertendiktatur). Dies gilt ebenfalls für die Palette der spirituellen Angebote des Kapitalismus wie den Glauben an die Natur, die "Fakten, Fakten, Fakten" Expertensysteme, oder die ehemals milliardenschwere Esoterikindustrie. Die narzistischen Alternativen schießen damit ins Kraut. Diese sind jedoch politisch wie moralisch weit entfernt von den erhofften Vorboten einer Emanzipation der Masse der Bevölkerung aus der Herr und Knecht Dialektik des post-fordistischen Kapitalismus. Im Gegenteil, sie sind lediglich die neueren Spielarten von Hass, Gewalt und Neid auf jegliche Anthropomophismen an sich, also auf jegliche von Menschen für Menschen erarbeiteten symbolischen Ordnungen. So ist die Frustration des Ex-Religiösen nach seiner "Befreiung" in eine total entsexualisierte (mehrgenußlose), säkulare Gesellschaft, vergleichbar geworden mit dem Neid der Geert Wilders Anhänger auf die total-sexualisierten Resttheokratien dieser Welt. Die Frustration, dass das Angebot im Kapitalismus durch seine permanente, materielle und symbolische "Verbilligung" nicht mehr hält was es einst versprach, ist jenem verschobenen Horror geschuldet am Abrund stehend, und nachdem die davor aufgetürmten Ersatzobjekte der Begierde im Lokus der inhärenten, kapitalistischen Widersprüche verschwunden sind, schließlich doch noch in denselben blicken zu müssen: in die Lücke im Selbst. ------------------------------------------------------------------------------------------"GuttenPlag" und "VroniPlag" als besonders obszöne Form der Post-Politik
von Phantasmo Die Verlotterung des Politischen kennt dieser Tage kaum ein Halten mehr - die "politische" Emsigkeit der "copy- and-paste"-Organe wie "VroniPlag" oder "GuttenPlag" bringt einen Politiker nach dem anderen zu Fall. Medial inszenierte Begründung: tricksen bei der Doktorarbeit. Thematisierte Begründung der Universitäten, die den Doktorgrad von Koch-Merihn, zu Guttenberg und Chatzimakakis eingezogen haben: Unkorrektheit bei Zitationen in den Dissertationen. Das gesellschaftlich Sichtbare an dem Vorgang wird also unter der Rubrik "Verfolgung von wissenschaftlichen Fehlleistungen" codifiziert, die sich ein Politiker in seiner Vorbilsfunktion nicht leisten dürfe. Insoweit taucht der Plagiats-Diskurs als ein explizit politischer auf: Politiker müssen ehrlich sein und dürfen nicht abschreiben - wer dies doch tut, muss verfolgt werden. So fokussieren die sonst unsichtbar bleibenden Betreiber der Plags ihr Tun auf die Rettung der "Ehre der Wissenschaft" und da ihr Betätigungsfeld ausschließlich dasjenige der Politik bzw. der Politiker ist, fassen sie ihre Jagd als eminent politisch auf. Soweit, so schlecht und so krude. Das vollständige Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------Anti-Demokratisches am Beispiel des neuen Biokonservativismus der bürgerlichen Mitte - Eine Erwiderung zu Grüner Konservativismus von ImJuni
von Volker Koehnen Warum ist der symbolische Intellektuelle notwendig demokratisch? Weil die Demokratie die einzige (!) symbolische Ordnungskonstruktion auf dem Gebiet des Politischen ist, die sich selbst ihres symbolischen, also menschgemachten Charakters bewußt ist, weil man stets darüber politisch streiten und debattieren muß, wer was mit welchem Satz und Begriff genau gemeint hat und sodann auszuloten hat, wo inhaltliche Einigungslinien liegen könnten. Nur in der Demokratie ist - zumindest im Prinzip - das Feld bereitet, auf dem Menschen sich ihrer Produkte und Produktionen bewußt werden, mehr noch: sich der Produktivität, der Artifizialität, des provisorischen Kerns dessen, was sie umgibt, gewahr werden und über andere, neue (wiederum symbolische) Produktionen streiten können. Nur da, wo Raum und Zeit für die Debatte über das Provisorische ist, ist Demokratie. Und nur wo Demokratie ist, scheint deren symbolische Ordnung als solche durch. Denn Demokratie ist dann eine solche, wenn debattiert wird und wo entschieden werden muß - mehrheitlich-gemeinschaftlich entschieden wird. Demokratie sollte in diesem Zusammenhang nicht im gewohnten Sinne begriffen werden, also als Staatsform oder politische Prozedur; vielmehr bezeichnet Demokratie hier denjenigen Augenblick oder Ort, wo entweder unterschiedliche Diskurse und unterschiedliche symbolische Ordnungen konflikthaft und nicht-essentiell aufeinandertreffen oder wo innerhalb ein und demselben Diskurs bzw. ein und derselben symbolischen Ordnung zunächst die Ordnung selbst als symbolisch anerkannt wird und sodann Einigkeit darüber besteht, dass jegliches Argument als menschgemacht, und damit gleichsam willkürlich gegriffen anzusehen ist. Besser kann man dem Symbolhaften der menschlichen Existenz nicht Rechnung tragen, als in diesem demokratischen Augenblick oder demokratischen Ereignis. Das vollständige Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------Ein kurze Geschichte von den jüdischen Bürgerkriegen über Paulus zum christlichen Fundamentalismus
von ImJuni Jan Assmann und Frank M. Raddatz erinnern uns in Lettre International 92 daran, dass es der klassischen Tragödie vor allem um den Kampf des Lebens und also um das Leben im Hier und Jetzt geht. Den Heldinnen der Tragödien wird deshalb alles aufgeladen, was das irdische Leben an Glück, aber vor allem auch an Schmerzen, bereit hält. Bis hin zu der Tatsache, dass es selbst für diese Heldinnen, vielleicht aber für niemanden, niemals eine Erlösung geben wird. Bis heute gibt der strukturelle Narzissmus immer der symbolischen Ordnung an sich (und nicht etwa ihren spezifischen Einzelforderungen) die Schuld, wenn die Leere seines Selbst nach Gründung, das heißt nach Selbstbewusstsein, verlangt. Sei es in der esoterischen Geste, der anti-politischen Dichotomie des ''wir da unten'' gegen ''die da oben'', oder eben in ihrer ältesten, gesellschaftlich relevanten Tradition, dem Antisemitismus, der als Überbleibsel der pharisäischen Jesusbewegung schließlich den Juden an sich die Schuld für die Existenz schlechthin jedweder symbolischen Ordnung gibt, die gerade nervt. Das vollständige Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------Rainer Trampert in Jungle World 16/11 über die FDP
"Bei Rösler, Lindner, Bahr und anderen Jungen gewinnt man den Eindruck, dass sie in einem abgeschiedenen Gebirgsinternat von Scientologen, esoterischen Motivationskünstlern, Offizieren und neurolinguistischen Programmierern auf die Politkarriere vorbereitet wurden." ------------------------------------------------------------------------------------------Oder: Das Betonieren von Begriffen
von Volker Koehnen Manchmal ist es interessant, nach dem Inhalt scheinbar selbstverständlicher Begriffe zu fragen. Der szientistische Glaube der Moderne beruht ja auf dem Mißverständnis, Begriffe spiegelten eine objektive Realität wider. Nicht, dass nicht kreativ an die Sache heran gegangen würde: so, wie der (Natur-)Wissenschaftler für entdeckte Phänomene nach adäquaten Begriffen sucht (darin liegt, zugegeben, eine gewisse Kreativität), so glaubt er gleichzeitig, einen im Dunkel des bisher Nicht-gewußten, aber dennoch irgendwie existenten, liegenden Begriff damit zum Leben erweckt, gleichsam ans Licht gehoben zu haben. Man muß dies als Irrglauben zurückweisen: es existiert eben kein objektives Universum der vorhandenen Begriffe, die lediglich zum Leben erweckt werden müßten ebensowenig gibt es einen objektiven, platonischen Kosmos der Phänomene, der naturnotwendig mit x oder y bezeichnet werden könnte: und wenn man sich nur anstrenge, werde man den richtigen Begriff schon finden. (Mehr) ------------------------------------------------------------------------------------------...ist die Erkenntnis, dass im Kapitalismus weder die Unterdrückten noch die Unterdrücker frei sind!
Jean Geil ------------------------------------------------------------------------------------------On the mystery of the social benefit of financialization
von ImJuni At the 17th of March 2010, Lord Adair Turner, the chairman of the UK financial service authority (FSA), a governmental organization serving as "the regulator of the financial services industry in the UK", gave a lecture at the renowned CASS Buisness School of the University London with the enigmatic title "What do banks do, what should they do, and what public policies are needed to ensure best results for the real economy?". Some earlier critical remarks of his on the social benefit of financialization in the aftermath of the financial crises caused some significant controversy and criticism of his point of view amongst the stakeholders of the financial industry, to which the lecture was meant as some sort of reply. For us, with a potentially quite pre-occupied leftist view on the financial system as the abyss in which the hard-working man of the factories has been forced to look into for no good reason other than the greed of some hedge fund managers, Lord Turners lecture may help to put things into perspective, although it in no way releases the Heuschrecken from their responsibility in significantly contributing to the deserts in front of and left behind by the real capitalist economy. So, here is a summary of what we always wanted to know about the financial system of today but never dared to ask that man in suit and tie on his way to the elevator... ------------------------------------------------------------------------------------------Über die Grenzen kapitalistischer Abstraktion und den Kampf um das Wissen
von ImJuni Aufgrund seines Fetisch für "the accumulation for the accumulation sake" und aufgrund der internationalen Konkurrenz um diesen Fetisch, ist der Kapitalismus gezwungen, die seit den 70er Jahren stetig sinkenden Profitraten durch Rationalisierungsmaßnahmen und spekulative Investitionen kontinuierlich zu stützen. Dies führt ihn jedoch immer wieder in den gleichen Teufelskreis einer Erniedrigung der Lohnquote an der Produktion, und damit eines sinkenden Warenwertes, und schließlich wieder sinkender Profite. Im Zug dieses system-immanenten Widerspruchs und seiner Konsequenzen kommt es notwendigerweise zu einer Spezialisierung der Lohnarbeit, da die Effizienz der Produktion des Mehrwerts durch Mehrarbeit soweit wie möglich stabil gehalten werden muss, weil sonst eine zusätzliche, erhebliche Erniedrigung des Profits durch zu schnell fallende Preise droht. Diese wechselseitige Reduzierung und Spezialisierung des Lohnarbeitsanteils bringt automatisch eine Konzentration des Wissens um die wichtigsten, mehrwertproduzierenden Prozesse mit sich, die schließlich nur noch von wenigen Menschen gesteuert werden. In dieser prekären Situation des kapitalistischen Wirtschaftens entsteht notwendigerweise, und wegen der Komplexität und der Fragilität der kapitalistischen Dynamik, ein Bedürfnis zur Steuerung und Kontrolle dieser Transformationsprozesse - auch wenn das grundsätzliche Problem dieser Dynamik von individuellen Kapitalisten selbst nicht steuer-, oder kontrollierbar ist. Da aber letztlich die Produktion von Mehrwert und schließlich von Profit bei stabilem Warenwert um keinen Preis aufgegeben werden kann, macht ein ganz spezieller, verbleibender Arbeiterinnentypus im Betrieb als letzter das Licht aus, zusammen mit ihrem Chef. Diese letzte verbleibende Arbeiterin (und nicht der Manager) ist die Spezialistin, die das Wissen über die Produktion des Mehrwerts, welcher nicht aufgegeben werden kann, im Maschinenpark der Firma schließlich auf sich vereinigt hat, und deren Gehalt den Profiten ihres Chefs, in diesem hypothetischen Moment, in nichts nach steht. Interessanterweise ergibt sich aus diesem theoretischen Endpunkt des Teufelskreis des kapitalistische Wirtschaftens eine Situation in der plötzlich das exorbitante Gehalt der letzten Arbeiterspezialistin der Firma für genau diese tatsächlich keine Rolle mehr spielt, und sie genau deshalb die eigentliche Macht über den Betrieb übernommen hat. Der heute bis in die letzten Untiefen gesellschaftlicher Aushandlungsprozesse vorgedrungene Fetisch für die Fakten, ist ein Ergebnis der totalen Reduktion an praktischer, einfacher, Lohnarbeit im kapitalistischen Kampf um Profit und um ''the accumulation for the accumulation sake''. Er spiegelt die Abhängigkeit des Kapitalismus einerseits von der massenhaften Verbreitung von Expertinnenwissen wieder (das auf seiner populären, vulgären Seite in der allseits präsenten, unterhaltsamen Abfrage von Allgemeinwissen und Allgemeinplätzen kulminiert), sowie andererseits seine Abhängigkeit von der Austauschbarkeit der Menschen hinter der Lohnarbeit. Mit dem ewigen Kampf des Kapitalisten um Profit und Mehr-Geld aus Geld gegen alle andere Kapitalisten, sowie der daraus entstehenden, sukzessiven Reduktion des Lohnarbeitsanteils in der Ware, ist das System im Begriff, sich selber das von Marx lange postulierte Grab zu schaufeln. Es ist ein zynischer Treppenwitz der Geschichte, dass dieses Ende eben nicht etwa durch den aktiven Kampf der ausgebeuteten und dadurch subversiv gewordenen Massen der Arbeiter, gegen die inneren Widersprüche des Kapitalismus und deren Konsequenzen für die eigenen Lebenswirklichkeit, erzwungen wird, sondern dadurch, dass der Kapitalismus im Begriff ist durch die Dekonstruktion seines eigenen Koordinatensystem für den abstrakten Wert der Ware, der Arbeit und des Wissens, und als Konsequenz seines Fetisch für Profit und Rationalisierung, eine neue Klasse von Expertenarbeiterinnen zu gebären, deren Interesse nicht mehr auf die inneren Widersprüche des Systems gerichtet ist, sondern auf das was durch sie einmal aus dessen Trümmern entstehen wird. Es ist leider anzunehmen, dass wir die wüstesten Konsequenzen dieser Autodestruktion noch vor uns haben. Dies ist der 2. Teil zum Thema "Kapitalismus und Arbeiterbewegung". Das ganze Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------Wie die zunehmende Klagewut Menschen von sich und einander entfernt
von Volker Koehnen Wie kommt es, daß die Gerichte seit mehreren Jahren zunehmend überlastet sind? Wie ist es zu erklären, daß bei Streitigkeiten - beispielsweise zwischen Mieter/Vermieter, Nachbarn oder Straßenverkehrsteilnehmern - schnell (scheller als früher) zum Mittel der Klage gegriffen wird? Warum steigt die Klagewut der Bundesbürger kontinuierlich an? Das Rechtssystem in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung erfüllt im allgemeinen die Funktionen der Konfliktvermeidung bzw. Konfliktlösung (Ordnungsfunktion), der Erhaltung des gesellschaftlichen Friedens (Friedensfunktion), des Schutzes besonderer Güter (Schutzfunktion), der Erzwingung bestimmter Verhaltensweisen (Erziehungsfunktion und der Rechtssicherheit bzw. Verläßlichkeit (Stabilisierungsfunktion). Besonders in Anspruch genommen wird unaufhaltsam die konfliktlösende Ordnungsfunktion des Rechts - an diese wird appelliert, wenn der eine seine Nachbarin verklagt, weil ihr Apfelbaum 2 Millimeter auf sein Grundstück ragt; wenn die andere einen anderen verklagt, weil dieser ihr gegenüber einen Kraftausdruck gebraucht hatte; wenn der Vermieter seinen Mieter verklagt, weil dieser die Fußleisten angebohrt hatte. Das Recht wird immer mehr zum doppelten Zwangssystem... Das ganze Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------Über Selbstausbeutung im Namen der Freiheit im Kapitalismus
In einer kapitalistischen Gesellschaft kann "frei" niemals bedeuten kein Geld für etwas zu nehmen (d.h. Freiheit verstanden wie "free as in beer"), da Freiheit im Kapitalismus nur über die materielle Basis erreicht werden kann. Dies bedeutet schlicht: im Kapitalismus braucht man für Freiheit Geld! Solange der Kapitalismus als gesellschaftlich dominantes Prinzip bestehen bleibt (genauer, die Wertigkeit des Individuums am Mittelwert des abstrakten Lohnarbeitswert gemessen wird) braucht man für Freiheit Geld! Solange ist es eine Illusion zu glauben, dass ein freies Angebot ("free as in beer") von irgendwas (Kunst, Musik, Text) die daran Partizipierenden, weder auf der Produktions- noch auf der Konsumentenseite frei machen kann. Nur in einer Gesellschaft, die nicht auf dem kapitalistischen Mehrwertfetisch des accumulation for the accumulation sake aufgebaut ist, kann der Event des Umsonst ("free as in beer") mit einer Freiheit des Lebens und des Wortes ("free as in speech") zusammenfallen, oder gar das eine aus dem anderen folgen. In der kapitalistischen Gesellschaft sind "free as in beer"- und "free as in speech" Events getrennt. Beide existieren notwendig unabhängig voneinander. Ihr Aufeinandertreffen ist, wenn und wo es stattfindet, bewusst oder unbewusst gezwungen. Das heißt es ist nicht notwendig und nicht systemimmanent ableitbar. Die Ausgangssituation favorisiert in kapitalistischen Zusammenhängen jedoch immer eine zeitliche und räumliche Trennung. Bis zur sogenannten IT-Wende, war eine "gesunde, materielle Basis" die Voraussetzung für "free as in speech". Mit der Blogo- und Twitterisierung (für die Programmierer zuvor schon mit der GNU-isierung) der vernetzten Welt, schienen "free as in speech" und "free as in beer" endlich eine wirkliche Liaison eingegangen zu sein. Es ist jedoch ein Trugschluss, der so simpel ist, wie er leicht verdrängt wird, dass es im Kapitalismus einen nachhaltigen Zugang zum Produktions- wie auch zum Konsummaterial, das heißt zum Medium, gäbe, ohne selbst die materielle Basis auf einem hohen Niveau langfristig aufrechterhalten zu können; meist über eine sehr lange Zeit bevor das Ganze aus Subsistenzsicht ein Selbstläufer wird. Ohne Wohnung, Kranken- und Sozialversicherung kein Blog und kein Internetanschluss. "Make a video that goes viral and lands you a gig directing commercials, we’re advised... For artists who spent years resisting corporate values, it is galling to constantly hear that advertising is to be the only viable source of sustenance in the emerging ORDER OF TOTAL FREEDOM". Es ist folgerichtig der Trick in einer kapitalistischen Gesellschaft die Gebühr fürs Umsonst zu finden. Da die eigene Identität ("Berühmtheit") immer wertvoller für den "added value" wird, ist auch die Arbeit an der Kultivierung des Netzwerks, der friends, fans and followers, on facebook, YouTube, twitter, etc.. das eigentlich Essentielle fürs substantielle Überleben im Kapitalismus. "free as in speech" kommt erst danach. (alle Zitate aus The Baffler, vol 2, 1, "Surfing the net") ImJuni ------------------------------------------------------------------------------------------(Esoterik, Teil III)
Es ist das Problem des Esoterikers (Esoterik - nach innen gewandt), dass er daran glaubt, dass die Sprache in ihm wohnt. Deshalb fällt es ihm schwer zu erkennen, dass er eigentlich immer nur nach außen spricht. Er hofft vielmehr, dass alle Gründe für irgendetwas, und vor allem dafür wer er ist, oder sein will, in ihm (verborgen) liegen, und diese dort aufzufinden sind. Deshalb glaubt er meist durch Weltabgewandtheit und innere Meditation die Lücke in seinem Selbst, an der er so leidet, und die allen Menschen eigen ist (auch den Nicht-Esoterikern), schließen zu können. Sprache ist uns jedoch äußerlich und liegt immer nur zwischen uns, den Anderen und der Welt. Jeglicher Sinn kann deshalb, wenn er immer nur für kurze Zeit erscheint, auch nur zwischen uns und der Welt, als dem großen Anderen entstehen. Nicht nur unser Denken, sonder auch unsere Vorstellung von uns selbst, das was nur scheinbar in uns spricht, ist wie eine Sprache gebaut und kann aber als Sprache nur exoterisch, zwischen uns und den oder dem Anderen existieren. Das Selbst wird erst zum Ich, wenn es über die Erkenntnis der Existenz anderer Ichs zu nämlichem wird. Esoteriker glauben jedoch, dass es in ihnen spricht, dass ihr Ich ("was sie tatsächlich sind") gesprochen wird, und nicht, dass dieses Ich mit Anderen oder immer wieder auch mit sich selbst spricht. Dabei kommt dem Authentizitätserlebnis des innerlich Gesprochenwerdens seiner Existenz ständig die notorische Unvollkommenheit unserer sprachlichen Entäußerungen in die Quere, durch die der Esoteriker immer erst hindurch muss, um sich selbst oder irgendetwas begreifen und schließlich als echtes, wahres, authentisches und eigentliches Selbst annehmen zu können. Darum will er (oder sie) ständig immer am liebsten, dass ein Gott in ihm spricht, der ihm das alles noch einmal ganz genau erklärt - dort drinnen in den zerfransten Klüften des Himalayas. ImJuni ------------------------------------------------------------------------------------------Die SPD - Nachdem die Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) bei der letzten Bundestagswahl knapp über der 20% Schwelle geblieben ist, wurde allerorten die Frage nach dem Verbleib der berühmten Basis diskutiert, welche der SPD mittlerweile angeblich fehlt. Darauf ist natürlich sofort mit der Gegenfrage zu antworten, welche Basis denn gemeint sein könnte, die die SPD zuvor angeblich repräsentiert hätte, und die man jetzt vermissen könnte. Und damit wären wir auch schon bei der Arbeiterbewegung angelangt, die, zumindest historisch gesehen, einst eine Basis der SPD Mitglieder war.
Die Arbeiterbewegung - Die gegenwärtige Krise der Lohnarbeit liegt im eigentlichen Sinne am Ursprung der Krise von SPD und Gewerkschaften, und diese ist wiederum nichts weiter als eine Krise des Selbstverständnisses und der Selbstverordnung der ehemaligen Arbeiterbewegung(en). Die Krise der Lohnarbeit ist aber nicht nur eine Krise der Arbeiterbewegung. Sie ist eine Krise des Kapitalismus! Die Krise des Kapitalismus - Am Ursprung eines langsamen aber letztlich unaufhaltsamen Abschied vom Kapitalismus und damit auch von der Lohnarbeit wie wir sie heute kennen, der für uns alle auch ein Abstieg ins Ungewisse sein wird, steht ein für Marx zentraler Widerspruch des kapitalistischen Wirtschaftens: die Tendenz zu fallenden Profitraten in Zeiten des freien Wettbewerbs. Das ganze "Agenda 2020" Essay gibt es hier. ------------------------------------------------------------------------------------------"Das asketische Ideal ist in der Kunst dialektisch. Heute dient es, schlicht drapiert, meist dem Obskurantismus und der Racune gegen das sinnliche Glück, wie gegen das des Geistes. Seine andere Seite ist die Zersetzung des ästhetischen Scheins, die dazu beiträgt das Versprechen von Kunst zu verwirklichen, indem die illusionäre Verwirklichung in der ästhetischen Gestalt beseitigt wird, und indem deren eigene Negativität, der Widerspruch des Wirklichen zum Möglichen ausdrückt." [T. W. Adorno, Versuch über Wagner, Musikalische Monographien, S.77]
Die eine Seite des asketischen Ideals im Pop ist die der handgemachten Musik auf Originalinstrumenten, deren dialektischer, asketischer Gegenpart der Minimal im Techno ist. ImJuni ------------------------------------------------------------------------------------------"Aus die Maus im Popdiskurs?" und "Pop am Nullpunkt" titelte die de:bug in ihrer 131ten Ausgabe anläßlich der verschwindenden Relevanz der alten Meinungsmacher von Spex, Frontpage und de:bug, also des klassischen Popdiskurs, wenn es um die produktive, manchmal gar subversive Ausdefinition von Pop ging und geht. Zusammen mit dem sogenannten Untergang der Musikindustrie sei "die Popkultur im offiziellen Kulturkanon angekommen" und das Modell der "schlauen Verknüpfungen von Pop-Inhalten mit politischen, sozialen und moralischen Themen hat ausgedient". So weit so offensichtlich. Jedoch bleibt seit nunmehr mehr als einer Dekade eine grundsätzliche Antwort auf die von Tom Holert und Mark Terkessidis schon vor 13 Jahren in "Mainstream der Minderheiten" gemachte kongeniale Analyse der Krise des Popdiskurs anläßlich der immer heißer laufenden kapitalistischen Endverwertung subpopkulturellen Potentials Mitte der 90er, und der Rolle die der Popdiskurs dabei spielt, weiterhin aus. Und auch die Beiträge in de:bug 131 und die von Rainald Goetz, Christoph Gurk, Tanith und Rene Weber geführte Diskussion zum Thema konnten daran wenig ändern.
Der Aufsatz Pop und Begehren ist der Versuch einer solchen Antwort und identifiziert als Grund für den schleichenden Relevanzverlust des poplinken Diskurses nichts weniger als das popkulturelle Moment selbst, "das Begehren", das der Popdiskurs bisher immer nur als empirische Größe verhandelt hat, also letztlich nicht in aller Konsequenz ernst nahm und dafür jetzt sozusagen die Zeche bezahlen muss. ImJuni Pop und Begehren ist auch in der Onlineausgabe der de:bug als Antwort of "Pop am Nullpunkt" erschienen: de:bug131 ------------------------------------------------------------------------------------------Am 2. Oktober 2008 haben einige Frankfurter AntiFa Gruppen, sowie die Frankfurter Polizei, in Vorfeldpropaganda, Durchsetzung und Nachbereitung, die NACHTANZDEMO gründlich, entgültig und erstaunlich professionell in Klischees beerdigt.
Nachzulesen ist das im Detail hier.Die Hintergründe zu den Geschehnissen während der Nachttanzdemo 2007 gibt es zum Beispiel hier, hier, und vor allem hier.
Zwei Uniformierte mit schwarzen Kappen und grüner Army-Funktionskleidung rennen an mir vorbei. Mit nur einigen Sekunden Abstand folgt ein weiterer Trupp Uniformierter mit weißen Helmen und ebenfalls grüner Funktionswäsche. Wären wir auf dem Fußballplatz hätte man die Heimmannschaften dazu verdonnert rote Trikots anzuziehen, um beide Teams besser auseinander halten zu können. Es ist nicht ganz klar wer hier ein Heimspiel hat. Irgendwie scheinen sich beide Seiten in dieser Umgebung und dieser Situation einigermaßen zu Hause zu fühlen. Der graue Audi, der eigentlich ein weißer BMW ist, umgeben von einem klein gewordenen Grüppchen Weitertanzender, schiebt sich langsam durch dieses archaische Spiel hindurch in Richtung auf den Mittelpunkt der großen Kreuzung zu, mitten durch die Orkane jugendlich, männlicher Potenz, umgarnt von den Muskeln der Staatsmacht.
Schon vor über 2000 Jahren hat ein einsamer Philosoph, der eigentlich Paulus hieß, diese uralte Schauspiel als die Mechanik von Gesetz und Sünde bezeichnet, als Symptom der Entfaltung dieser ihrer inneren Logik, und wurde dafür ans Kreuz genagelt. Das Gesetz, so Paulus, jagt hinter denen her, die es übertreten wollen! Warum? Weil es eben genau dafür eingerichtet wurde und überhaupt eigentlich nur im Moment seiner Übertretung existieren kann. Ein Gesetz das nicht übertreten wird ist vollkommen sinnlos und existiert nicht. Mehr noch, es ist eigentlich nicht vorstellbar! Ein Gesetz, das nicht mehr übertreten wird oder werden will, verschwindet. Das perfide daran ist, dass jeder sich in uns regende Wunsch einer Gesetzesübertretung, sei er formal abstrakt oder moralisch, das Gesetz erst so richtig in Gang bringt, es (ver)stärkt: "Ja, ja, ich wusste schon, dass du mich übertreten willst, deswegen bin ich ja da!"
Das ganze ist, wie schon erwähnt, ein extrem alter Hut. Seit Paulus' Entdeckung, dass das Gesetz Sünde sei und die Sünde Gesetz (und seinem konsequenten Vorschlag das Gesetz doch deswegen ganz subversiv durch die Liebe zu ersetzen), bis zur entgültigen theoretischen Durchdringung der diesbezüglichen Dialektik: unserer Vorstellung von Welt (die hegelsche Identität der Nicht-identität) und moderner Weltverbrechen (der dialektischen Mühle der Aufklärung), ist zwar extrem viel Zeit vergangen, es wundert aber dann doch, dass viele der daran anschließenden, praktischen Vorschläge zur Dekonstruktion der Logik von Gesetz und Sünde, wenig Anklang gefunden haben. Jedenfalls im Vergleich zur nur noch selten virulenten, hippiesken Idee der Liebe als Politik. Ganz bestimmt nicht bei der sich ständig "emanzipatorisch" nennenden Gegen(!)bewegung, die augenscheinlich das Gesetz so lieb hat/haben.
Am effizientesten und nicht ohne Tragikkomik spielen dieses zum heulen lustige Spiel die sogenannten Anti-Bewegungen: die Anti-Globalisiserer, die uns sagen dass alles globalisiert ist, die Anti-Deutschen die Behaupten, dass es so etwas wie Deutschland gäbe, und die Anti-Faschisten, die überall auf der Suche nach Faschismus sind. Natürlich finden das alle Globalisierer, Deutsche, und Faschisten unheimlich tofte, dass sie so anerkennend in ihrer Existenz bestätigt werden, wo sie doch sonst eigentlich so ein immens schlechtes Selbstbewusstsein mit sich herumtragen und genau deswegen so Scheißtypen geworden sind. Schön dass wir sie immer wieder in ihrer Wirklich- und Wichtigkeit bestätigen, wo sie doch sonst ständig auseinander fielen, wenn man sie nur mal unter vier Augen anschaut.
Hm oh huh ja, wir reden hier ja nicht von Menschen, nein, sondern von Systemen! Und da das System von Gott kommt und nicht vom Menschen und seiner permanenten Identitätsparanoia konstruiert wird, also immerzu vom Himmel fällt, kann man auch eigentlich nichts anderes machen als ständig drauf zu hauen. Und da stöhnt und schreit dann der Mensch und denkt insgeheim, also bitte, bitte lieber Gott, hau mir noch eine rein, damit ich merke, dass ich existiere! Das war ja dann auch die Essenz dieses genialen Tricks mit dem Apfel. Schließlich war es niemand anderes als Gott selber, der das Verbot in den einen Baum gehängt hat, wo doch sonst noch so viele andere schöne Apfelbäume im Paradies rumstanden, und der damit die Sünde eben gleich mit erschaffen hat, noch bevor irgendjemand irgend was gepflückt hatte. So blöd ist dieser Gott ja nun auch wieder nicht, dass er nicht ganz genau gewusst hätte was er da tat. Man darf die arme Eva und den armen Adam unter diesem Geschichtspunkt ruhig als Opfer eines ganz perfiden politischen Komplotts sehen, den sie aber blöd genug waren nicht zu durchschauen. Gottes Verbot ist die eigentliche Sünde des Sündenfalls; die Metasünde des Gesetzgebers.
Und seit damals rennen jetzt die Uniformierten mit ihren Flaggen übern Platz und schreien "Bullenschweine" oder "Chaoten", was man halt vorher so ausgemacht hat was man schreien oder durchs Mikrofon sagen würde, damit die Anderen merken, dass sie jetzt dran sind und ihre Anwesenheit und Existenz in Permanenz angemessen gewürdigt wird.
Leider lebt die subversive Paradiesbesetzungsfraktion scheinbar immer (noch) nach dem Motto, dass ein selbsterfundenes Gesetz immer besser sei wie das der anderen: eure Auftritte, Bücher, Demonstrationen, Äußerungen, Aussehen, Meinungen müssen immer verboten werden und unsere müssten immer eigentlich erlaubt sein. Ständig erlaubt man sich was und verbietet gleichzeitig irgendjemanden irgendetwas anderes und das Gesetz in der Mitte fühlt sich immer schön ordentlich von allen Seiten penetriert.
Unsere beiden sich mittlerweile an den Arsch fassenden Teams, die da so geschmeidig über den Frankfurter Opernplatz und die angrenzenden Straßenzüge huschen, haben natürlich, jetzt wo die Party so richtig angefangen hat, keine Zeit mehr nach links und rechts zu schauen. Sonst hätte sich vielleicht der eine oder die andere mal ganz aus Versehen in die Zone der tanzenden Verhältnisse um den Audi verirrt: "Wie Herr Wachtmeister, das tut mir jetzt aber leid! Ich wusste gar nicht, dass es verboten ist auf dieser Kreuzung zu tanzen!"
Für eine Nachttanzdemo der tanzenden Verhältnisse und ohne die ganzen Uniformierten.
[1] Weitere Leseempfehlungen zum selben Thema: Freuds Totem und Tabu, [S. Freud, Totem und Tabu, Gesammelte
Werke IX, S. Fischer, 1996], Hannah Arendts - die Revolution ist genau das was
die Revolutionäre am Vorabend der Revolution nicht wollten - Über Revolution
[H. Arendt, On Revolution, Penguin Books, 1990], Lacans, das Unbewusste
und die Sprache [J. Lacan, Ecrits, Complete Edition, Norton, 2006], Debord’s Gesellschaft
des Spektakels [G. Debord, Die Gesellschaft des Spektakels, Tiamat, 1996],
Foucault’s Überwachen und Strafen [M. Foucault, Überwachen und Strafen,
Suhrkamp, 1992], Deleuze’ Rhiziomatik [G. Deleuze, Tausend Plateaus, Merve,
1992], Rancieres logic of expert governments [J. Ranciere, Hatered of
Democracy, Verso, 2006], Zizek’s Gesetz der Lücke im Subjekt [S. Zizek, Die
Tücke des Subjekts, 2001], und Agambens Interpretation des Römer Briefs [G.
Agamben, Die Zeit die bleibt, edition suhrkamp, 2006].